Beschimpfungen

Aargauer Jungpolitiker: «Hass-Kommentare gehen einem schon nahe»

· Online seit 23.02.2023, 06:03 Uhr
Jungpolitikerinnen und Jungpolitiker werden regelmässig mit Hassnachrichten konfrontiert oder erleben sogar Gewalt. Doch warum werden sie überhaupt beschimpft und wie erleben Betroffene aus dem Aargau digitale Gewalt? Wir haben nachgefragt.
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Beschimpfungen, Hass und Gewalt: Wer in die Politik geht, braucht ein dickes Fell. Es gehört fast schon zum Alltag von Politikerinnen und Politikern dazu, dass sie sich Kritik von allen Seiten anhören müssen. Aber auch Beleidigungen und Drohungen müssen sie über sich ergehen lassen – teilweise schon ganz am Anfang ihrer Karriere.

Der 21-jährige Nico Zobrist von der SP Aargau hat das am eigenen Leib erfahren. In Mails wird er regelmässig als «Hurensohn», «Spasti» oder «Dreckskommunist» beschimpft. Zu Beginn haben ihn diese Nachrichten nicht immer kalt gelassen. «Wenn man zum ersten Mal solche Kommentare bekommt, geht das einem schon sehr nahe», sagt Zobrist gegenüber Radio Argovia. Mit der Zeit habe er aber gelernt, sich davon abzugrenzen.

Keine Einzelfälle

Nico Zobrist ist jedoch nicht der einzige, der sich mit solchen Beschimpfungen abfinden muss. Politik-Einsteiger aller politischer Couleur werden angegangen. So auch Cedric Meyer, der aus Rheinfelden kommt und Mitglied bei der Jungen SVP ist. Er wurde schon als «SVP-Nazi» und «Rassist» bezeichnet. Zudem wurde er einmal in einer Bar tätlich angegriffen, wie er bei «SRF Impact» schildert. Ähnliches erlebte Travis Schmidhauser von den Jungfreisinnigen Aargau. Als er Plakate für die «Ehe für alle» aufhängen wollte, lief eine Person mit einem Messer in der Hand vorbei und warf ihm vor, genauso eine «Schwuchtel» zu sein.

Diese Beispiele sind längst keine Einzelfälle mehr. Jolanda Spiess-Hegglin, Geschäftsleiterin Netzcourage, kümmert sich um Betroffene von digitaler Gewalt und kann bestätigen, dass Hass gegen junge Politikerinnen und Politiker auf den sozialen Medien ein aktuelles Thema ist: «Die Politik beschäftigt uns enorm. Eigentlich sollte man ja ohne den täglichen Hass politisieren dürfen, aber in der Realität ist das nicht so.»

Sorgen um die eigene Sicherheit

Eine SRF-Umfrage ergab, dass bereits mehr als die Hälfte der befragten Jungpolitikerinnen und -politiker aufgrund ihres politischen Engagements Hass und Gewalt erlebt haben oder beleidigt wurden. Jede vierte Person hat sich zudem schon Sorgen um die eigene Sicherheit oder um diejenige des eigenen Umfelds gemacht.

Psychologische Vorbereitung für Jungpolitiker

Dass die Newcomer so oft unter die Räder kommen, liegt daran, dass sie sich mit dem Schritt in die Öffentlichkeit angreifbar machen. «Öffentliche Personen sind darauf angewiesen, dass sie gehört werden – und das ist der Reiz für die Hasser. Im schlimmsten Fall erträgt ein Politiker oder eine Politikerin das nicht mehr und tritt zurück. Dann haben die Aggressoren ihr Ziel erreicht», erklärt Jolanda Spiess-Hegglin. Aus diesem Grund sei es wichtig, dass sich die Jungen schon zu Beginn ihrer Karriere mit Hasskommentaren auseinandersetzen und psychologisch darauf vorbereitet werden.

Auch Nico Zobrist findet es nicht in Ordnung, dass man solche Sachen erleben muss, wenn man in die Politik möchte. «Ich kann mir gut vorstellen, dass es junge Leute davon abhält, sich in unserer Gesellschaft zu engagieren.»

Hier kannst du dir den Radio-Beitrag nochmals komplett anhören:

 

(rce)

veröffentlicht: 23. Februar 2023 06:03
aktualisiert: 23. Februar 2023 06:03
Quelle: ArgoviaToday

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