Links-Kritik

Also doch: Die Aargauer Kantis sind neutral

· Online seit 12.05.2023, 14:41 Uhr
Sind die kantonalen Mittelschulen zu links? Dieser Kritik musste der Regierungsrat nachgehen. Nun liegen die Ergebnisse der Umfrage vor. Sie zeigt: Nein, die Aargauer Mittelschulen sind neutral.
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Hintergrund ist ein Postulat, das der Grosse Rat Ende Juni 2022 überwiesen hatte. So sollte die Einhaltung der politischen Neutralität an den kantonalen Mittelschulen untersucht werden. Mittlerweile sind rund 6000 Schülerinnen und Schüler sowie 850 Lehrpersonen und die Rektorin und die Rektoren befragt worden – also knapp 40 Prozent der Schülerschaft an Mittelschulen und 60 Prozent aller Lehrpersonen. Dies vom Befragungsinstitut Sotomo in Zürich.

Schülerschaft interessiert politische Einstellung von Lehrpersonen kaum

Die Ergebnisse zeigen: Die grosse Mehrheit der Schülerinnen und Schüler an den Aargauer Mittelschulen fühlen sich wohl. 16 Prozent hingegen fühlen sich (gelegentlich) aufgrund der politischen Einstellung oder der Nationalität benachteiligt. Die politische Sozialisierung erfolge in erster Linie jedoch nicht in der Schule, sondern im Elternhaus, finden sowohl Schülerschaft als auch Lehrpersonen. Zudem könne sich gut die Hälfte der befragten Mittelschülerinnen und -schüler auf der Links-Rechts-Achse politisch verorten, kommt die Untersuchung zum Schluss.

Bei den politischen Debatten gibt es eine Meinungsverschiedenheit: Zwar werden sie von allen Befragten als lehrreich empfunden, für Lehrpersonen erscheinen sie jedoch deutlich toleranter und ausgeglichener als für Schülerinnen und Schüler. Dennoch ist auch für die Lehrpersonen klar: Die persönliche Haltung darf nicht in den Unterricht einfliessen. Die Schülerschaft beschäftigt sich damit weniger. Für sie ist die politische Einstellung ihrer Lehrpersonen kaum von Interesse. Wichtiger – oder besser gesagt am wichtigsten – ist für sie, dass Lehrerinnen und Lehrer fair und korrekt ihre Leistung bewerten.

Linke reden eher mit als Rechte

Dennoch gibt es Konfliktsituationen. So traut sich zwar die Mehrheit der Schülerschaft, in einer politischen Debatte das Wort zu ergreifen, jedoch trifft dies auf Schüler oder Linke mehr zu als auf Schülerinnen oder Rechte. Auch jene mit wenig Vertrauen in die Schule oder wenig Politikwissen trauen sich weniger, sich in eine Debatte einzuschalten. Die Umfrage zeigt zudem, dass (eher) rechts positionierte Schülerinnen und Schüler bei politischen Debatten häufiger unter Peer Pressure leiden als andere. Dazu sagt Regierungsrat und Bildungsdepartementsvorsteher Alex Hürzeler: «Das ist eine gute Erkenntnis, die wir aus dieser Studie ziehen können. Für den Schulalltag, für den Unterricht muss beim Thema Minderheiten noch besser hingeschaut werden – egal ob es um Nationalität, Geschlecht oder eben um die politische Einstellung geht.»

Kein Handlungsbedarf, dafür ein Learning für Schülerschaft und Lehrpersonen

Der Regierungsrat sieht in den Ergebnissen jedoch keine systematischen Defizite im Umgang mit der politischen Neutralität an Kantonsschulen. In der Gesamtsicht sei es «klar ein positives Ergebnis», so Hürzeler. Deshalb gibt es auch aus Sicht des Regierungsrates keinen Handlungsbedarf, wie es in einer Mitteilung heisst. Man hoffe jedoch, dass die Umfrage an den Schulen aktiv genutzt werde, «um sich mit der Debattenkultur im Unterricht und an der Schule auseinanderzusetzen, nicht nur, aber auch bei politischen Themen». Denn die Wahrnehmung sei unterschiedlich. «Der Umgang mit Minderheiten muss für eine Schule relevant sein und die Studie gibt wichtige Hinweise darauf, welche Personengruppen sich benachteiligt fühlen und warum.» In Diskussionen müssten Lehrpersonen deshalb auch Minderheitspositionen gebührend Raum geben.

Auch die Schülerschaft soll daraus lernen. Meinungsäusserungen von Kolleginnen und Kollegen verdienten eine sachliche und faire Auseinandersetzung, schreibt der Regierungsrat. «Es gehört zum Prozess des Erwachsenwerdens, sich mit divergenten Meinungen, mit Minderheitspositionen oder mit der Andersartigkeit, sei es der eigenen oder der von Kolleginnen oder Kollegen, auf konstruktive Art auseinanderzusetzen und sich behaupten zu lernen.»

Hintergrund der Diskussion war eine Maturaarbeit an der Kantonsschule Baden, die zum Schluss kam, dass Aargauer Mittelschulen einen Linksdrall haben. FDP-Grossrat Adrian Schoop forderte daraufhin eine Untersuchung.

SP kritisiert Aufwand

Für die SP sind die Ergebnisse nun wenig überraschend. Der Vorstoss habe sich als Sturm im Wasserglas erwiesen. «Leider hat er nur unnötige personelle und finanzielle Ressourcen verschlugen», wird Grossrat Alain Burger in einer Mitteilung zitiert. Die SP hätte sich von der Regierung mehr Vertrauen in die Mittelschullehrpersonen gewünscht. Man müsse andere Herausforderungen angehen, als Zeit in solche Umfragen zu investieren. Zudem frage man sich, welche Motivation die FDP wirklich verfolge. «Wäre es der FCP ernst mit der politischen Neutralität, müssten auch Wirtschaftswochen, wie sie jüngst an der Neuen Kantonsschule Aarau durchgeführt wurden, kritisiert und in Frage gestellt werden», so die Aargauer Co-Fraktionspräsidentin Colette Basler.

veröffentlicht: 12. Mai 2023 14:41
aktualisiert: 12. Mai 2023 14:41
Quelle: ArgoviaToday

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