Aargau/Solothurn

Analyse zum 2. Wahlgang: Aargauer Städte brachen SVP das Genick

Ständeratswahlen

Analyse zum 2. Wahlgang: Aargauer Städte brachen SVP das Genick

20.11.2023, 08:53 Uhr
· Online seit 20.11.2023, 05:39 Uhr
Obwohl Benjamin Giezendanner in zwei Drittel der Aargauer Gemeinden mehr Stimmen holte als seine Konkurrentin Marianne Binder, verlor der SVP-Mann gegen die Mitte-Kandidatin. Das ist eine Folge der links-grün dominierten Städte. Und des SVP-Profils, sagt ein Politologe.
Anzeige

Baden, Aarau, Brugg oder Lenzburg: Die urbanen Regionen haben den zweiten Wahlgang der Aargauer Ständeratswahlen entschieden. Denn obwohl SVP-Kandidat Benjamin Giezendanner in zwei Drittel aller Gemeinden gewann, holte Marianne Binder von der Mitte die grossen, einwohnerstarken Städte. Und dies mit grossem Vorsprung: In ihrer Heimatgemeinde Baden lag die 65-Jährige knapp 2800 Stimmen vor Giezendanner, in Aarau gut 2200, in Lenzburg 800, in Brugg 750. Gut 5000 Stimmen Vorsprung liegt Binder in der Gesamtabrechnung im Vorsprung.

Binder profitierte von allen politischen Lagern

«Das Muster ist klar. In den Städten und urbanen Räumen war Marianne Binder viel stärker als Benjamin Giezendanner. Umgekehrt hat Giezendanner in den meisten kleinen ländlichen Gemeinden gewonnen», bestätigt Politologe Mark Balsiger.

Binder profitierte vom Bündnis mit Mitte-Links (SP, Grüne und GLP unterstützten die Mitte im zweiten Ständeratswahlgang), sagt Balsiger. «Das zeigt auch, dass die Städte im Aargau inzwischen klar rot-grün dominiert sind. Marianne Binder half das enorm. Aber das Resultat zeigt auch, dass sie aus allen Lagern Stimmen bekommen hat, ausser von der SVP.»

Hat die SVP schlecht mobilisiert?

Umgekehrt zeigt das Wahlresultat ein fast schon altbekanntes Problem der SVP: Sie kann bei Majorzwahlen kaum über die eigene Basis heraus mobilisieren. «Da reicht auch die pro-forma-Unterstützung von der FDP fast nie für einen Sitz in Stände- oder Regierungsrat», resümiert Balsiger. Man dürfe ausserdem nicht unterschätzen, dass die FDP ihren Kandidaten mit Thierry Burkart schon im ersten Wahlgang ins Stöckli gehievt hatte – «und das hat wohl die wenigsten motiviert, um nochmal an die Urne zu gehen».

Quelle: Tele M1 / ArgoviaToday

Ein weiteres Problem der SVP: Das Kandidatenprofil. «Die SVP hat nur Erfolg, wenn sie sehr moderate, bürgerliche Kandidaten aufstellt», sagt Balsiger. «Bei Kandidaten, bei denen die Wählerschaft das Gefühl hat, dass sie rechts-aussen stehen und national-konservative Ansichten vertreten, reicht es eben häufig nicht». Es fehlen Stimmen aus gemässigten bürgerlichen Kreisen und von Parteien aus der politischen Mitte.

«SVP-Rhetorik ist nicht mehrheitsfähig»

Grad Benjamin Giezendanner sei ein Paradebeispiel dafür. Der Transportunternehmer ist bekannt, ein beliebter Nationalrat gar. «Aber gleichzeitig weiss man, dass er zu 100 Prozent die SVP-Linie und SVP-Rhetorik vertritt und die ist nicht mehrheitsfähig. Ein knappes Drittel der Bevölkerung findet dies in Ordnung, doch der Rest eher nicht.»

Quelle: Tele M1 / ArgoviaToday

Auch der Unterlegene selber, Benjamin Giezendanner, gibt sich diesbezüglich selbstkritisch. «Wenn man schaut, dass Marianne Binder in Aarau und Baden eigentlich den ganzen Vorsprung holt, muss man klar sagen: Daran muss gearbeitet werden»

Glarner: «Müssen Städte zurückerobern»

Ins gleiche Horn bläst auch Giezendanners Parteipräsident, Andreas Glarner. «Ich sage schon seit Jahren, dass wir die Städte zurückerobern müssen». Die SVP müsse nun in den kommenden Wahlkämpfen aufzeigen, wohin die städtische Politik führt, wo vor lauter Sozialausgaben irgendwann das Geld ausgehe. Nur so könne die SVP auch in urbanen Gebieten zulegen.

Darauf ist die Volkspartei angewiesen, will sie in Majorzwahlen erfolgreicher werden. Das weiss auch der Aargauer SVP-Präsident Andreas Glarner. Denn man habe gesehen, dass viele FDP-Wählerinnen und -Wähler nicht an die Urne gingen, weil sie «ihren Mann schon durchgebracht hatten», wie sich der SVP-Kantonalpräsident ausdrückt. Glarner zeigt sich aber auch selbstkritisch: «Am Ende des Tages müssen wir sagen, dass wir mehr hätten mobilisieren müssen. Uns ist es nicht gelungen, die Leute an die Urne zu bringen.»

veröffentlicht: 20. November 2023 05:39
aktualisiert: 20. November 2023 08:53
Quelle: ArgoviaToday

Anzeige

Mehr für dich

Anzeige
Anzeige
argoviatoday@chmedia.ch