Umstrittene Praxis

Bedürftige müssen für Aargauer Gemeinden ihre Pensionskasse plündern

· Online seit 17.06.2021, 16:06 Uhr
In einigen Aargauer Gemeinden müssen Sozialhilfebezüger ihre berufliche Vorsorge auflösen, um damit die Sozialhilfeleistungen zurückzuzahlen. Das ist nicht rechtens, findet eine unabhängige Fachstelle für Sozialhilferecht und zieht die Aargauer Sozialhilfepraxis nun vor das Bundesgericht.
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Sozialhilfebezüger, die plötzlich zu Geld kommen - etwa durch Erbschaft oder weil sie im Lotto gewinnen - müssen früher bezogene Sozialhilfeleistungen zurückzahlen. Das ist gesetzlich geregelt und wird auch in den meisten Kantonen so gehandhabt. Anders im Aargau: In einigen Gemeinden müssen Bedürftige die bezogenen Sozialhilfeleistungen mit Geld aus der Pensionskasse zurückzahlen – unabhängig davon, wie vermögend oder eben nicht vermögend die Betroffenen sind.

Wie wird diese Sonderregelung gerechtfertigt?

Das liegt daran, dass in den betroffenen Gemeinden im Aargau die Pensionskassengelder als «normales» Vermögen betrachtet und auch so behandelt werden. Für die Unabhängige Fachstelle für Sozialhilferecht (UFS) ist das rechtswidrig. Sie zieht deshalb vor das Bundesgericht, das höchste Gericht in der Schweiz. «Der berufliche Vorsorgeschutz ist auf Bundesebene geregelt. Es kann nicht sein, dass sich einzelne Gemeinden in einem einzigen Kanton diesem Gesetz widersetzen», begründet Tobias Hobi, Rechtsanwalt bei der UFS, den Beschluss.

Vor einem Monat hat das Verwaltungsgericht Aargau die Sachlage geprüft und schliesslich zugunsten der Gemeinde entschieden, nachdem sich eine betroffene Sozialhilfebezügerin gegen die Sonderpraxis wehren wollte.

Eine solch umstrittene Sozialhilfepraxis wird in Wettingen, Beinwil, Spreitenbach, Oberentfelden und Turgi praktiziert - keine der Gemeinden äusserte sich auf unsere Anfrage.

(noë)

veröffentlicht: 17. Juni 2021 16:06
aktualisiert: 17. Juni 2021 16:06
Quelle: ArgoviaToday

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