Psychologe ordnet ein

Brandstiftung bei der Feuerwehr: Ein seltenes aber gefährliches Phänomen

30.05.2022, 23:04 Uhr
· Online seit 30.05.2022, 19:46 Uhr
Der mutmassliche Brandstifter aus dem Wasseramt ist selber Feuerwehrmann. Warum legen Feuerwehrleute selbst Brände und wie häufig kommt das vor? Ein forensischer Psychologe schätzt ein.

Quelle: TeleM1

Anzeige

Er sorgte für Angst und Verunsicherung bei der Bevölkerung: Zwei Monate wütete ein Brandstifter im Wasseramt, legte mutmasslich 13 Brände, ohne gefasst zu werden. Am Freitag gab die Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn bekannt, den mutmasslichen Täter gefasst zu haben. Dabei soll es sich um einen 33-jährigen Schweizer handeln. Und: Der Tatverdächtige soll eine Kaderposition in der Feuerwehr im Wasseramt haben.

Brandstifter in der Feuerwehr: Seltener als man denkt

Feuerwehrleute sollen Leben retten und Brände löschen. Dass sie selber zu Brandstiftern werden, kommt laut dem forensischen Psychologen Jérôme Endrass seltener vor als angenommen. Wie viele brandstiftende Feuerwehrleute sich jährlich in den Reihen der Feuerwehren aufhalten, kann niemand ganz genau sagen, weil dazu keine offiziellen Zahlen vorliegen. «Wird jemand aus der Feuerwehr zum Brandstifter, ist das etwas Aussergewöhnliches, worüber vermehrt berichtet wird. Das merken sich die Leute», erklärt Endrass die verzerrte öffentliche Wahrnehmung über Brandstiftung in der Feuerwehr.

«Aber es gibt sie, die feuerlegenden Feuerwehrleute», betont Endrass. Gerade weil es aber ein seltenes Phänomen ist, sei es schwierig, klare Motive zu erkennen. Auch sei die Brandstiftung im Vergleich zu Gewalt- oder Sexualdelikten noch relativ wenig erforscht. Bei einigen gehe es wohl darum gebraucht zu werden. «Legt jemand aus den eigenen Reihen ein Feuer, kann er schnell einsatzbereit sein und als Held auftreten, Lob und Wertschätzung ernten.» Ein Gefühl von Macht und Überlegenheit oder eine besondere Faszination für Feuer und Flammen könnten aus einem Feuerwehrmann ebenfalls einen Brandstifter machen.

Auch hört und liest man immer wieder von Pyromanie, also einer Täterschaft, welche ein Feuer aus einer sexuellen Motivation heraus legt. «Früher dachte man, dass die Brandstiftung stark sexuell motiviert sind. Vereinzelt gibt es sicherlich Brandstifterinnen oder Brandstifter, welche aus einer sexuellen Motivation Feuer legen, das ist aber mit Sicherheit eine Seltenheit.»

Schon bei der Rekrutierung aufmerksam sein

Wie hoch das Rückfallrisiko ist, sei schwer zu beurteilen und hänge stark vom Motiv ab. «Wird ein Feuer aus einem instrumentellen Motiv gelegt – also um Geld von der Versicherung für einen Schaden einzukassieren, der so nicht passiert ist – ist das Rückfallrisiko geringer, als wenn ein Brand aus Faszination zum Feuer gelegt wird.» Internationale Studien weisen bei der Brandstiftung kein höheres Rückfallrisiko aus als bei anderen Straftaten. Aber: «Je stärker das destruktive Verhalten Ausdruck einer gestörten Persönlichkeit ist, umso höher ist das Rückfallrisiko.»

Damit es gar nicht erst so weit komme, dass Feuerwehrleute zu Brandstiftern werden, ist es laut dem Psychologen wichtig, schon bei der Rekrutierung aufmerksam zu prüfen, ob die Leute für den Beruf geeignet sind. «Verhält sich jemand antisozial oder sonst psychisch auffällig, sollte er oder sie gar nicht erst in die engere Auswahl für einen Beruf bei der Feuerwehr oder auch der Polizei kommen.» Abschliessend betont Endrass, dass die Mehrheit der Leute, die bei der Feuerwehr arbeiten, hoch engagiert sind. Eine destruktive Agenda verfolgen ganz wenige – leider mache sich gerade diese Kleinstgruppe besonders bemerkbar. «Es ist wichtig, dass man nicht pauschal alle verdächtigt. Denn dadurch wird ein Bild geschaffen, das es so nicht gibt.»

(noë)

veröffentlicht: 30. Mai 2022 19:46
aktualisiert: 30. Mai 2022 23:04
Quelle: ArgoviaToday

Anzeige
Anzeige
argoviatoday@chmedia.ch