Trotz tiefer Temperaturen

Das Ende des Aargauer Eisweins? Weshalb das Risiko für Winzer (zu) gross ist

14.12.2022, 13:53 Uhr
· Online seit 14.12.2022, 11:45 Uhr
Eisweine gelten als besonders hochwertige Spezialitäten. Doch im Aargau waren die Bedingungen seit Jahren nicht mehr gut genug. Das Risiko für regionale Winzer ist deshalb enorm.
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Vielleicht hätte es gereicht: Minus fünf und teilweise sogar minus sieben Grad zeigte das Thermometer in den vergangenen Nächten im Aargau. «Eine Nacht bei minus sieben Grad reicht in der Regel für Eiswein. Besser wäre noch kälter», sagt Patrick Nauer, Geschäftsführer von Nauer Weine. Aber an seinen Reben in Bremgarten hängen keine Trauben mehr, die nun zum süssen Eiswein verarbeitet werden könnten, denn «das Risiko ist zu gross.»

Eine wertvolle Rarität

Das Problem: Wer Eiswein herstellen will, muss bei der Ernte im Herbst einige Trauben hängen lassen, in der Hoffnung, dass der Winter kalt genug wird und die Bedingungen perfekt passen. Sind die Temperaturen einige Stunden am Stück tief genug (meist über Nacht), kristallisiert Wasser und Fruchtsäure in den Trauben. Werden die Beeren dann sofort geerntet und verarbeitet, wird ein hochkonzentrierter und sehr süsser Wein gekeltert. Das Ergebnis sind sehr hochwertige natursüsse Weine. Die Eisweine gelten deshalb auf der ganzen Welt als Raritäten,  werden unter Experten besonders geschätzt und kosten entsprechend mehr als andere Weine.

«Lohnt sich einfach nicht mehr»

Doch für die Winzer ist das Risiko hoch. Wird der Winter nicht kalt genug, müssen sie viele Trauben wegschmeissen. Und die Bedingungen waren in unseren Breitengraden in jüngerer Vergangenheit nur sehr selten gut genug. In den vergangenen zehn Jahren hätte Winzer Patrick Nauer nur ein einziges Mal Trauben für einen Eiswein ernten können. Deshalb verzichtet er mittlerweile darauf. «Gibt es einen milden Winter, muss ich zu viele Trauben wegschmeissen. Das lohnt sich einfach nicht mehr.» Die Klimaerwärmung werde dem Eiswein im Aargau wohl definitiv den Garaus machen.

Strohwein statt Eiswein

Einen anderen Weg geht Bruno Hartmann, Winzer aus Remigen. Den warmen Temperaturen zum Trotz versucht er jedes Jahr, Eiswein zu produzieren. Seit bald 30 Jahren benutzt der Betriebsleiter der Weinbau Hartmann AG eine speziell Rebsorte. «Diese Trauben kommen erst anfangs November in die volle Reife. Und weil sie besonders widerstandsfähig sind, kann man sie bis Ende Monat hängen lassen, wenn die Chance grösser ist, dass es kalt genug wird».

Ist dies nicht der Fall, wie auch in diesem Jahr, nimmt Hartmann die Trauben ab, trocknet sie und macht sogenannten Strohwein daraus. So verliert er seine Ernte nicht, sagt er. «Das werden wir auch in den kommenden Jahren so machen, denn der Eiswein ist etwas spezielles. Er sollte nicht verschwinden.»

Spielverderber Klimawandel?

Aber auch Hartmann konnte seit vielen Jahren keinen Eiswein mehr produzieren. «Vielleicht wird es ja in den nächsten Jahren auch mal wieder kälter», sagt er. Ob ihm der Klimawandel nicht doch noch einen Strich durch die Rechnung macht, muss die Zukunft zeigen.

veröffentlicht: 14. Dezember 2022 11:45
aktualisiert: 14. Dezember 2022 13:53
Quelle: ArgoviaToday

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