Weltkrebstag

«Die ersten Wochen waren sehr tränenreich» – Zwei Krebskranke erzählen

· Online seit 04.02.2022, 15:30 Uhr
Der 4. Februar steht für den Weltkrebstag. Doch gerade durch die Covid-19-Pandemie scheint diese Krankheit in vielerlei Hinsicht in den Hintergrund gerückt zu sein. Wir haben mit zwei Betroffenen und der Krebsliga über dieses wichtige Thema gesprochen.
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Miriam F.: «Mit meiner Diagnose könnte ich seit fünf Jahren tot sein»


Miriam F.* war 37 Jahre alt, als sie wegen eines Klumpens in der Brust ihren Arzt aufsuchte. Dieser stellte ihr eine Diagnose, mit der man als Frau in diesem Alter nicht rechnet: metastasierender Brustkrebs – sie ist unheilbar krank. «Das war die schlimmste Zeit. Die Diagnose «Brustkrebs» war schnell da, aber bei jedem Termin kam noch etwas Schlimmeres dazu. Und es war schnell klar: Heilbar ist es nicht», erzählt uns Miriam im Interview. Das ist nun acht Jahre her. «Ich habe aufgehört zu zählen, wie viele Therapien und Chemos ich machen musste. Es ist jedes Mal ein Abwiegen zwischen Lebenszeit und Lebensqualität», so die heute 45-Jährige aus Zürich. Es gab Zeiten, da verlor sie wegen der Nebenwirkungen der Chemo alle Haare. «Es ist einem gesunden Menschen gar nicht bewusst, wie wichtig zum Beispiel Wimpern oder auch Nasenhaare sind. Es ist auch wahnsinnig nervig, immer eine Mütze zu tragen. Man sieht dir dann einfach an, dass du Krebs hast.»

Miriam spricht von sich selber als «Langzeitüberlebende». «Alle Menschen mit derselben Diagnose, die ich kennengelernt habe, sind unterdessen verstorben. Vor dem Tod habe ich keine Angst, aber vor der Art und Weise, wie es passieren könnte», führt Miriam aus. Sie wünscht sich auch, die Menschen würden mehr auf sie zukommen: «Das ist mein persönliches Empfinden, aber ich denke, die meisten Krebskranken möchten darüber sprechen. Möchten, dass die Leute nachfragen und sich interessieren. Klar, auf einer Party, wenn ich abgelenkt bin, möchte ich vielleicht nicht unbedingt über den Krebs reden. Aber im Allgemeinen würde ich mir schon wünschen, dass das Thema nicht totgeschwiegen wird.»

Das, obwohl es auch ihr nicht immer einfach fällt: «Am Anfang ist es besonders schwer. Man muss selber mit der Diagnose umgehen, man steckt selber in der Krise und sollte gleichzeitig sein Umfeld trösten. Die ersten Wochen waren sehr tränenreich.» Sie habe in den vergangenen acht Jahren auch viele Freunde verloren, die mit den Höhen und Tiefen nicht klarkamen. «Jeder Therapiewechsel, jeder Monat – alles ist im ständigen Wechsel.»

Corona machte das nicht einfacher. Auf die Zeit der Pandemie angesprochen, wird die starke Frau merklich traurig. «Der Mensch ist keine Statistik. Wenn ich Aussagen gehört habe, wie ‹Die wäre eh bald gestorben›, damit konnte ich nicht umgehen. Mit meiner Diagnose wäre ich eigentlich auch seit fünf Jahren tot, aber hier bin ich und lebe. Und jeder Mensch hat dieses Recht auf Leben.» Etwas, was den Menschen nach Miriams Auffassung viel zu wenig bewusst ist, sind die Fortschritte der Krebsforschung. «Früher ist man einfach gestorben oder man wurde geheilt. Dazwischen gab es nicht viel. Heute ist es so, dass man mit allen Möglichkeiten jahrelang mit dem Krebs leben kann», sagt die 45-Jährige. Dies gehe nicht nur an die Moral, sondern auch ins Geld, weil die Schweizer Versicherungsfallschirme wie zum Beispiel die IV noch nicht darauf ausgelegt sind. Dieses Bewusstsein und das Wissen, dass es jeden und jede treffen kann, wünscht sich Miriam für die Menschen.

Chregi W.: «Hoffe so sehr, dass ich nach der Operation wieder etwas Richtiges essen kann»


Mehr Bewusstsein in der Bevölkerung, diesem Wunsch pflichtet auch Chregi W.* aus Menziken bei. Die 55-Jährige erhielt 2019 die Diagnose «Zungen- und Kieferknochenkrebs». Ihr Umfeld empfindet sie als grösste Stütze. Sie schätzt, dass ihre Angehörigen normal mit ihr umgehen, teilweise sei es sogar fast etwas «grob» in dem Sinne, dass man die gutgemeinten Ratschläge eher als Anweisung formuliert. Aber auch Chregi W. wünscht sich, dass das Umfeld sich weniger scheut, mit ihr über die Krankheit zu sprechen.

«Es geht mir manchmal ganz gut, aber die schlechten Tage sind da», erklärt auch Chregi. Seit November 2019 hatte die Menzikerin bereits 35 Strahlentherapien und 25 Chemos. Die Ärzte mussten ihre Zunge entfernen. Sie entnahmen ihrem eigenen Oberschenkel Bestandteile für eine Zungenprothese. Seit zwei Jahren kann sich die 55-Jährige nur noch von Püriertem, von Brei und Joghurts ernähren. «Ich freue mich und hoffe so sehr darauf, dass ich nach meiner Operation wieder etwas Richtiges essen kann», antwortet sie auf die Frage, was sie sich denn wünscht. Auch auf die Zeit während der Corona-Pandemie sprechen wir Chregi W. an. Sie habe keine Probleme damit, so ihre Antwort.

*Namen der Redaktion bekannt

veröffentlicht: 4. Februar 2022 15:30
aktualisiert: 4. Februar 2022 15:30
Quelle: ArgoviaToday

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