EVP-Vorstoss

Fehlgeburten im Aargau dürfen nicht öffentlich bestattet werden – das soll sich ändern

· Online seit 27.04.2023, 07:16 Uhr
Abschiedsrituale und Bestattungszeremonien können für Eltern eine tröstliche und tiefe Erfahrung sein. Während Totgeburten öffentlich auf Friedhöfen bestattet werden dürfen, verbietet eine Regelung dasselbe für Fehlgeburten. Dies soll sich gemäss einer Motion der EVP ändern.
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Wenn sich eine Familie mit Ruhe und Zeit auf ihre ganz persönliche Weise von ihrem verstorbenen Baby verabschieden kann, hilft dies oft, das Erlebte zu verarbeiten. Gemäss der kantonalen Bestattungsverordnung ist die Bestattung von Totgeburten auf Aargauer Friedhöfen zulässig. Als Totgeburt wird in der Zivilstandsverordnung des Bundes ein Kind bezeichnet, «das ohne Lebenszeichen auf die Welt kommt und ein Geburtsgewicht von mindestens 500 Gramm oder ein Gestationsalter von mindestens 22 vollendeten Wochen aufweist».

Totgeburt ist nicht gleich Fehlgeburt

Die Aargauer Zivilstandsverordnung unterscheidet gegenwärtig zwischen den erwähnten Totgeburten und Fehlgeburten. Sofern ein Kind ohne Lebenszeichen zur Welt kommt und weder Geburtsgewicht von 500 Gramm erreicht, noch ein Gestationsalter von mindestens 22 Wochen aufweist, spricht man von einer Fehlgeburt. Während die Eltern unabhängig von Gewicht und Alter über ein verstorbenes Kind trauern, entscheidet ein Paragraf darüber, wie das verstorbene Baby beerdigt werden darf.

EVP fordert Anpassung der Verordnung

Eine eingereichte Motion der EVP-Fraktion verlangt nun, dass Eltern ihre Sternenkinder künftig öffentlich bestatten können, sofern sie dies wünschen. Auf diese Weise soll ein Elternpaar die Möglichkeit erhalten, ihren Vorstellungen entsprechend trauern zu können. «Der Verlust totgeborener oder fehlgeborener Kinder kann Eltern emotional stark herausfordern, dies ungeachtet des Alters und des Gewichts des Kindes», so die EVP in ihrem Vorstoss.

Ein Ort, wo man Blumen hinlegen kann

Sarah Link vom Verein Himmelskind begrüsst den Vorstoss der EVP. Link leitet zwei Selbsthilfegruppen im Kanton Aargau und Solothurn, in welchen sie betroffene Eltern seelisch unterstützt. «Aktuell dürfen Kinder unter 22 Wochen zwar individuell bestattet werden, doch ein Abschluss, wie man ihn bei Erwachsenen oder älteren Kindern kennt, fehlt einfach», erklärt die Trauerbegleiterin. Das Bedürfnis einer öffentlichen Bestattung von Fehlgeburten sei durchaus akut. «Erfahrungsgemäss gibt ein Abschluss im Sinne einer Beerdigung den Eltern die benötigte Einleitung in die Trauerphase.»

Gemeinschaftsgräber in Spitäler sind nicht optimal

Eine individuelle Bestattung eines Sternenkindes, also einer Fehlgeburt, darf im eigenen Garten stattfinden. Manche Spitäler würden auch Gemeinschaftsbestattungen anbieten, doch hierbei hadert es bei der praktischen Umsetzung, wie Link weiter ausführt: «Die Gemeinschaftsbestattungen sind erfahrungsgemäss nur zwei bis vier Mal im Jahr. Dadurch verzögert sich der Trauerprozess.» Nach einigen Monaten seien Eltern bereits in einem ganz anderen emotionalen Punkt angelangt. Deshalb würden viele Eltern nach der vergangenen Zeit nicht mehr zu den Bestattungen erscheinen. «Diese Widmung der Trauer fehlt den Betroffenen im weiteren Prozess», so Link.

Für die Trauerbegleiterin ist unklar, weshalb ein 499 Gramm leichtes Kind weniger wert sein sollte als ein schwereres. Dieser Frage wird sich aufgrund der Motion der EVP nun auch das Parlament stellen müssen.

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veröffentlicht: 27. April 2023 07:16
aktualisiert: 27. April 2023 07:16
Quelle: ArgoviaToday

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