Berikon

Gleiche Regelung für Kühe und Feiernde: Nachtruhe um 22 Uhr

12.01.2022, 00:03 Uhr
· Online seit 23.06.2021, 18:12 Uhr
In Berikon muss ein Bauer seinen Kühen nachts die Glocken ausziehen, nachdem sich ein Anwohner wegen Ruhestörung beim Kanton beschwert hatte. Der Beschluss wird derzeit kontrovers diskutiert und wirft die Frage auf: Tradition oder Ruhebedürfnis - was ist höher zu gewichten?

Quelle: TeleM1

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Kuhglocken: Für die einen gehören sie zum Landleben, für andere ist das Gebimmel unerträglicher Lärm. Ein Anwohner in Berikon fühlte sich offenbar so stark gestört von den bimmelnden Kühen, dass er letzten Frühling Beschwerde bei der Gemeinde einreichte. Konkret forderte er eine Anpassung des Polizeireglements, denn Kuh- und Kirchenglocken sind darin von der Nachtruhe ausgeschlossen. Als die Gemeinde diese Forderung ablehnte, gibt sich der Anwohner nicht geschlagen und führt seine Beschwerde auf kantonaler Ebene fort. Mit Erfolg. Der Kanton akzeptiert die Beschwerde und beruft sich dabei auf Bundesrecht, wonach Nachtruhe für alle Menschen garantiert ist. Das berichtet der «Wohler Anzeiger». Im Entscheid heisst es unter anderem: «Aus unserer Sicht liegen keine überwiegenden, öffentlichen Interessen vor und es ist wahrhaftig nicht notwendig, dass die Tiere aus Sicherheitsgründen Glocken tragen müssen.»

Für Bauer Brechbühls Kühe gilt jetzt also die gleiche Regelung wie für Gäste einer Gartenparty: Nach 22 Uhr ist Ruhe. Bauer Brechbühl kann den Entscheid zwar nicht verstehen, gibt sich aber geschlagen: «Ich mag nicht mehr kämpfen. Jetzt lasse ich die Kühe einfach Tag und Nacht ohne Glocken grasen», so der Bauer gegenüber Radio Argovia. Rekurs möchte er keinen einreichen.

Auch Berikons Gemeindeammann Stefan Bossard ist nicht begeistert, akzeptiert aber den Beschluss des Kantons. Er glaubt, dass Corona einen erheblichen Einfluss auf die ganze Kuhglocken-Debatte hatte: «Die Leute verbringen mehr Zeit zu Hause und fühlen sich deshalb auch eher gestört von den Kuhglocken.»

Werden andere Gemeinden nachziehen?

Der Entscheid des Kantons gilt nur für die eine Weide, auf der Brechbühls Kühe weiden. «Das muss sich ändern», ist für Gemeindeammann Bossard klar. «Die Nachtruhe muss für alle Bauern gelten, deren Kuhweiden sich in der Nähe eines Wohngebietes befinden.» Gegenüber SRF sagt Bossard, dass er es durchaus für möglich hält, dass der Entscheid des Kantons über die Gemeindegrenzen von Berikon hinaus Auswirkungen haben wird.

Der Bauernpräsident des Kantons Aargau, Christoph Hagenbuch, glaubt das nicht: «Die meisten Gemeinden und Anwohner haben keine Probleme mit bimmelnden Kuhglocken. Man würde einen Elefanten aus einer Mücke machen, würde man jetzt behaupten, das sei ein flächendeckendes Problem.» Hagenbuch kann auch den Entscheid des Kantons verstehen; im Wohnquartier würden schliesslich andere Regelungen als in landwirtschaftlichen Zonen gelten.

Falls die Kuhglocken doch auch in anderen Gemeinden zum Problem werden sollten, hofft Hagenbuch, dass die Leute miteinander sprechen und Kompromisse suchen, statt rechtlich gegeneinander vorzugehen.

veröffentlicht: 23. Juni 2021 18:12
aktualisiert: 12. Januar 2022 00:03
Quelle: ArgoviaToday

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