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Welche Geheimnisse trägt der Menora-Ring aus Kaiseraugst in sich?

Neue Untersuchung

Welche Geheimnisse trägt der Menora-Ring aus Kaiseraugst in sich?

· Online seit 26.08.2023, 14:52 Uhr
Bei Grabungen in Kaiseraugst ist vor über 20 Jahren ein Siegelring mit defektem Reif und einer kreisrunden Platte mit einer gravierten Menora gefunden. Dieser wird jetzt im Paul Scherrer Institut genauer untersucht. Archäologin Lilian Raselli erklärt, welchen Fragen nun auf den Grund gegangen werden soll.
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Vor über 20 Jahren, genauer am 27. Juni 2001, haben Archäologen bei Grabungen in Kaiseraugst einen spektakulären Fund gemacht. Auf dem Gebiet des spätrömischen castrum Rauracense wurde ein Fingerring gefunden. Auf der kreisrunden Platte ist eine Menora eingeprägt, der siebenarmige jüdische Leuchter aus dem Tempel in Jerusalem. Rechts daneben zeigt sich ein Lulav (Feststrauss) und auf der linken Seite ein Etrog (Zitrusfrucht). Beides sind Symbole des jüdischen Laubhüttenfests.

Das Metall des Ringes besteht aus Messing und wurde um das Jahr 400 nach Christus datiert. «Das zeigt sich vor allem daran, weil ab dem Zeitpunkt Siegelringe immer seltener aus Schmucksteinen hergestellt wurden, sondern unter anderem aus Bronze oder eben Messing», erklärt Lilian Raselli, Archäologin und Museumsleiterin Augusta Raurica.

Verschiedene Datierungsmöglichkeiten

Zudem hatte über Jahrhunderte hinweg im jüdischen Kunsthandwerk die Scheu bestanden, heilige Symbole abzubilden, wie der Schweizerische Israelitische Gemeindebund (SIG) schreibt. Das änderte sich erst im Laufe des 4. Jahrhunderts und kann als Reaktion auf die sich ausbreitende Symbolik christlicher Embleme verstanden werden. Die Darstellung der Menora und weiterer jüdischer Symbole wird immer geläufiger, um sich so vom Christentum abzugrenzen, heisst es weiter.

Allerdings könne er auch aus früherer Zeit sein, und zwar aus zwei Gründen: «Erstens weist der unmittelbare Kaiseraugster Grabungsfund in eine frühere Zeit und zweitens ist die Menora in früheren Jahrhunderten weniger gut belegt, aber keineswegs abwesend», so René Bloch in seinem Aufsatz zum Menora-Ring.

Jüdische Präsenz auf Schweizer Boden 

Bis zum Zeitpunkt des Fundes waren nur einige wenige Judaica-Entdeckungen aus römischer Zeit nördlich der Alpen bekannt. Relativ schnell war allerdings klar, dass der Ring eines der frühesten Zeugnisse jüdischer Präsenz auf dem Gebiet der heutigen Schweiz sein muss. Der Fingerring wurde zum Siegeln von Dokumenten und anderem verwendet, der Reif ist heute jedoch verbogen und gebrochen. «Der Ring ist sehr stark abgegriffen und sehr stark erodiert. Man sieht, dass er oft getragen wurde», fügt Lilian Raselli auf Anfrage an. «Der Ring ist heute aus konservatorischen Gründen mit einem Acrylharzlack überzogen.»

Ob der Ring einer Frau oder einem Mann gehörte, ist allerdings unklar. Möglicherweise könnte den Ring ein einzelner Kaufmann getragen haben. Genauso könnte er auch einer Frau gehören, die sich mitsamt ihrer Familie vor den Toren des castrum Rauracense niedergelassen hatte. Zur Annahme einer jüdischen Gemeinde im spätrömischen Kaiseraugst müssten weitere jüdische Funde gemacht werden, wie Ludwig Berger in seinem Aufsatz «Der Menora-Ring von Kaiseraugst. Jüdische Zeugnisse römischer Zeit zwischen Britannien und Pannonien» schreibt.

Wo wurde der Ring gefertigt?

Der Ring ist im Paul Scherrer Institut in Villigen untersucht worden, und zwar mit einer zerstörungsfreien Technik namens Muon Induced X-ray Emission (MIXE). Damit sollen die Oberfläche und das Innere des Rings auf dessen Zusammensetzung der Elemente und Isotopen betrachtet werden, und zwar im Rahmen eines vom Schweizerischen Nationalfonds finanzierten Projekts. «Wir können damit unter die Korrosionsschicht des Ringes schauen», sagt die Museumsleiterin. Zum einen haben wir die Isotopenuntersuchung durchgeführt, um mehr Hinweise zur geografischen Herkunft zu erhalten und zum anderen eine Analyse mit negativen Ionen. Damit soll die materielle Zusammensetzung des Ringes näher bestimmt werden.» Dabei soll vor allem die Frage beleuchtet werden, woher der Ring stammt.

Möglich sei, dass der Ring noch im Gebiet der antiken römischen Gegend Palästina gefertigt wurde. Aber auch aus der westlichen Diaspora in Rom könne der Ring herkommen, so Raselli. «Da lass ich mich gerne überraschen.» Ein neues Digitalmikroskop soll die Erkenntnis unterstützen. Die Beschaffenheit des Rings wird wie eine Landschaft konstruiert, jede einzelne Erhebung wird wahrgenommen und als 3D-Modell zusammengesetzt. Nach dieser umfassenden Untersuchung bekommen wir einen weitreichenden Einblick in die Geschichte des Menora-Rings. Die Analyse des Ringes am Paul Scherrer Institut ist abgeschlossen, die Daten werden zurzeit noch ausgewertet. «Im Winter sollen dann die Ergebnisse präsentiert und bis Frühling nächsten Jahres dann der Artikel eingereicht werden», berichtet die Archäologin.

Punzierung und Stil im Fokus

Zusätzlich könne bestimmt werden, mit welchen Punzensorten der Ring geschlagen wurde: «Die Punze ist ein Schlagstempel, der bis heute für die Herstellung von Verzierungen genutzt wird», erzählt Raselli. Dabei gibt es verschiedene Punzierungsarten und Stile, die wiederum etwas mehr über die Herkunft verraten können.

Anhand dieser neuen Einzelheiten will sie mithilfe einer mit traditioneller Technik arbeitenden Goldschmiedin den Ring neu anfertigen. «Aber nicht als Replik in seiner aktuellen Erscheinung, sondern als tragfähigen Ring.» So will Raselli herausfinden, wie der Ring aussah, als er vor 1600 Jahren gefertigt wurde. «Wenn Bronze frisch verarbeitet wurde, sieht sie nämlich aus wie Gold.»

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veröffentlicht: 26. August 2023 14:52
aktualisiert: 26. August 2023 14:52
Quelle: ArgoviaToday

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