Neuvermessung

Grenzverschiebung: Schrumpft der Aargau um 8 Meter?

05.06.2023, 20:32 Uhr
· Online seit 05.06.2023, 17:51 Uhr
Ein Brückenjubiläum in Bad Säckingen führte zu einer Neuvermessung der Landesgrenze zur Schweiz. Dadurch verläuft die Linie auf der Brücke nun um 8,20 Meter weiter östlich – näher am Aargau. Von einer Verkleinerung der Schweiz, wie deutsche Medien berichten, könne man aber nicht sprechen, so ein Experte.

Quelle: ArgoviaToday / Tele M1

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Deutschland wird breiter – ergo wird die Schweiz kleiner? So berichtete zumindest die «Badische Zeitung». Das sei dem Jubiläum einer denkmalgeschützten Holzbrücke zu verdanken, welche die Gemeinde Stein und Bad Säckingen ennet der Grenze seit 450 Jahren verbindet. Der historische Landesgrenzstein von 1810 wurde für das Brückenjubiläum extra restauriert und sollte anschliessend zur neu definierten Landesgrenze aufgestellt werden. Jene sollte künftig genau über die Rheinmittellinie verlaufen.

Für die korrekte Vermessung arbeitete das deutsche Vermessungsamt mit dem Schweizer Bundesamt für Landestopografie zusammen. Nach eingehender Vermessung korrigierten die Ämter die bisherige Grenze auf der Brücke um 8,20 Meter in Richtung Schweiz.

Vermessen wurde die neu definierte Staatsgrenze am vergangenen Mittwoch von Alain Wicht. Beim Bundesamt für Topografie fungiert er als Beauftragter für Landesgrenzen. «Für das Jubiläum der Brücke steckte das Vermessungsamt Waldshut die Grenze ab. Das Vorgehen wurde von unserer Seite kontrolliert und tatsächlich können wir bestätigen, dass die Schweiz auf der Brücke 8,20 Meter an Boden verliert», erklärt Wicht auf Anfrage von ArgoviaToday.

Gemäss Medienberichten sei also Deutschland durch dies um acht Meter gewachsen und habe der Schweiz einvernehmlich Boden «gestohlen». Dies stimme so jedoch nicht, erklärt Wicht: «Es lässt sich so pauschal nicht sagen. Die Korrektur tangiert die ganze Rheingrenze. Wir haben also an vielen anderen Orten zum Teil Land gewonnen und zum Teil Land verloren.»

8 Meter früher in Deutschland

Maximilian Reinmann, alt National- und Ständerat aus dem Kanton Aargau, nutzt die Brücke regelmässig und fährt mit seinem Fahrrad über die Brücke: «Jetzt bin ich halt acht Meter früher in Deutschland. Aber ich hoffe, dass die Schwaben uns irgendwo diese acht Meter zurückgeben. Sonst wäre die Schweiz um die Meter kleiner geworden.» An der Stelle bei der Brücke sei dem so, allerdings habe die Schweiz entlang der Rheingrenze eben auch Meter dazu gewonnen, fügt  Wicht an.

Quelle: Tele M1

Bislang wurde Grenze über die tiefsten Punkte im Rhein definiert

Der Grenzvertrag zwischen dem Grossherzogtum Baden und dem Kanton Aargau wurde im Jahr 1808 bestimmt, wie Wicht erklärt. Dazumal wurde der Talweg des Flusses als Grenze definiert, also die Verbindungslinie der tiefsten Punkte im Rhein. «Da sich der Talweg verändert und vom Ufer kaum erkenntlich ist, musste man die Grenze nun neu definieren», meint der Topograf weiter. Man beschloss also fortan die Rheinmittellinie als Grenze zu erklären. Die neue Landesgrenze wurde mittels Messungen aus der Fotogrammetrie bestimmt. Ein Flugzeug fliegt also über den Rhein und bestimmt die Ufer berührungslosen Messmethoden. So kann Wicht und sein Team die Grenzen korrekt bestimmen.

Fridolinsinsel wird Deutschland zugesprochen

Seit der Grenzregelung Schweiz-Deutschland von 1808 liegt die Fridolininsel vor der Holzbrücke auf Schweizer Hoheitsgebiet. Durch die Neuregelung des Staatsvertrages des Grenzverlaufs wechselt das Inselchen jedoch auf die deutsche Seite. «Die neue Grenzlinie läuft knapp am Ufer der Insel vorbei. Rund 95 Prozent der Insel liegen nun auf der deutschen Seite», sagt der Experte.

Die Grenzlinien auf weiteren Brücken wurden vom Bundesamt bisher noch nicht angepasst. «Aktuell haben wir die technischen Grenzen evaluiert und die beiden Länder sind sich einig über den neuen Grenzverlauf. Doch bis diese gelten und ein Abkommen entstehen kann, muss die Politik diese noch formell anerkennen.» Die Arbeit wäre also im Prinzip erledigt, doch wann die Messungen offiziell werden, könne gemäss dem Topografen noch einige Jahre dauern.

Hier kannst du dir nochmals den Radio-Beitrag anhören:

veröffentlicht: 5. Juni 2023 17:51
aktualisiert: 5. Juni 2023 20:32
Quelle: ArgoviaToday

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