Asyl-Chaos Windisch

«Hätten mit Mietenden nicht so umgehen dürfen» – Kanton gesteht Fehler ein

01.03.2023, 19:01 Uhr
· Online seit 01.03.2023, 17:06 Uhr
49 Mieterinnen und Mieter sollen aus ihren Wohnungen ziehen. Dies, weil der Kanton im entsprechenden Gebäude in Windisch eine Asylunterkunft plant. Nun gibt er zu: Bei der Planung wurden Fehler gemacht. Davon, dass im Gebäude sozialhilfebeziehende Menschen leben, will er nichts gewusst haben.

Quelle: ArgoviaToday / Tele M1

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Seit Montag hängt in Windisch der Gemeindesegen schief. Grund dafür: Der Kanton Aargau plant im Gebiet Zelglistrasse/Mülligerstrasse eine Asylunterkunft für rund 100 Personen. Um die Asylsuchenden unterzubringen, hat der Eigentümer der Liegenschaft die Mietverträge der 49 Mietenden auf Ende Juni gekündigt.

Empörung durch die ganze politische Bandbreite

Dies stiess nicht nur den Mietenden sauer auf – sondern auch vielen Vertretenden aus der Politik, wie beispielsweise dem Netzwerk Asyl. Um einen offenen Diskurs zu ermöglichen, lud der Kanton dann zu einem runden Tisch (ArgoviaToday berichtete) ein.

Wie der Kanton am späten Mittwochnachmittag per Medienmitteilung mitteilt, soll zusammen mit der Gemeinde Windisch und der Liegenschaftseigentümerin eine Lösung für die Mieterinnen und Mieter gesucht werden. Der Kantonale Sozialdienst habe «bei der Evaluation der Asylunterkunft für unbegleitete minderjährige Asylsuchende (UMA) einen Fehler gemacht», heisst es in der Mitteilung. Landammann Jean-Pierre Gallati, Vorsteher des Departements Gesundheit und Soziales (DGS), bedauere die «von der Evaluation der Asylunterkunft für unbegleitete minderjährige Asylsuchende (UMA) in Windisch ausgelösten Entwicklungen».

Antwort an Gemeinde Windisch

In seiner Antwort an den Gemeinderat von Windisch lässt der Kanton verlauten, dass der Kantonale Sozialdienst die insgesamt sehr angespannte Asylsituation in den Gemeinden und die Situation in Windisch besprochen und die Notlage, die der Regierungsrat per 14. Januar 2023 ausgerufen hatte, erwähnt habe. Aufgrund dieser Notlage müsse der Kanton Aargau zurzeit unterirdische Unterkünfte für die Unterbringung von Geflüchteten vorbereiten. Eine erste Anlage werde bereits am 6. März 2023 in Birmenstorf eröffnet, heisst es im Schreiben an Windisch.

Auch die Liegenschaften an der Zelgli-/Mülligerstrasse in Windisch sei für eine Zwischennutzung im Asylbereich geeignet. «Der neue Eigentümer der Liegenschaften will und muss diese wegen des schlechten Zustands in der nächsten Zeit abbrechen und neu bauen. Jener ist erst seit einigen Monaten Eigentümer der Liegenschaft und benötigt noch etwas Zeit, um das Projekt zu entwickeln. Es ist aber ein kompletter Neubau geplant.» Bis zum Start des Neubauprojekts wolle der KSD die Liegenschaften nun als Asylunterkunft nutzen.

«Wegen der hohen Mieterfluktuation und der Vorbereitung des Neubaus hat der Eigentümer ebenfalls Interesse an einer Zwischennutzung gezeigt», schreibt der KSD. Die Liegenschaften mit insgesamt 32 Wohneinheiten will der KSD als reguläre Unterkunft für 70 UMA nutzen. Am 3. Februar 2023 hat sich der KSD verpflichtet, die Liegenschaften zu mieten. Der Vertrag geht über drei Jahre mit Option auf eine Verlängerung um sechs Monate.

Neuer Liegenschaftseigentümer – alter Deal

Dass Menschen, die teilweise auf Sozialhilfe angewiesen sind, in den Wohnungen leben, davon soll der KSD nichts gewusst haben. «Der KSD hatte in Gesprächen mit dem ehemaligen Eigentümer nachgefragt, ob sozialhilfebeziehende Personen in der Liegenschaft wohnen. Dies wurde damals verneint, wobei dem KSD bewusst ist, dass diese Informationen aus Datenschutzgründen nicht immer vorliegen», heisst es von Seiten des Kantones.

Trotz der neuen Information bleibt es aber bei der Entscheidung. Die Mietenden müssen raus. «Der Eigentümer erachtet eine Zwischennutzung durch den KSD ebenfalls als sinnvoll. Er hält weiter am geplanten Neubauprojekt fest, womit festgestellt werden kann, dass die Kündigungen in nächster Zeit auch ohne Zwischennutzung durch den KSD erfolgt wären.»

Gegenüber dem Gemeinderat Windisch lässt der Kanton ausrichten: «Wir bitten den Gemeinderat Windisch um Verständnis, dass wir aufgrund der ausserordentlichen Lage die genannte Liegenschaft anmieten und als UMA-Unterkunft in Betrieb nehmen müssen. Der KSD wird alles daransetzen, in Windisch einen ruhigen und geordneten Unterkunftsbetrieb zu gewährleisten.»

Infoabend für Mieterinnen und Mieter geplant 

Heute Dienstagabend findet in Windisch eine Infoveranstaltung für die betroffenen Mieterinnen und Mieter unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Im Vorfeld soll es zudem eine Solidaritätskundgebung geben.

veröffentlicht: 1. März 2023 17:06
aktualisiert: 1. März 2023 19:01
Quelle: ArgoviaToday

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