St. Blasien (D)

Jugendstilvilla von ehemaligem Aargauer Staatsschreiber brennt komplett nieder

· Online seit 28.01.2022, 08:18 Uhr
Am Sonntagabend, 23. Januar, ist es in der Jugendstilvilla Ferrette im deutschen St. Blasien im Schwarzwald zu einem Brand gekommen. Der Sachschaden an dem denkmalgeschützten Objekt beträgt laut ersten Schätzungen der Polizei eine Million Euro. Für den ehemaligen Aargauer Staatsschreiber Marc Pfirter ein herber Verlust.

Quelle: ArgoviaToday / Severin Mayer

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Als die Rettungskräfte in der Nacht am Sonntag bei der Jugendstilvilla Ferrette eintrafen, stand das Gebäude bereits komplett in Flammen, wie es in einer Mitteilung des Polizeipräsidiums Freiburg heisst. Erst gegen Mitternacht habe die Feuerwehr mit dem eigentlichen Löschen des Hauses beginnen können – zuvor musste sie ein Übergreifen des Feuers auf benachbarte Gebäude verhindern. Im direkten Umfeld des brennenden Gebäudes seien mehrere Gasflaschen gelagert gewesen. Die Einsatzkräfte, darunter die Polizei und mehrere Feuerwehren, waren mit 80 Personen vor Ort im Einsatz, um das Feuer zu bekämpfen. Glücklicherweise wurde nur eine Person leicht verletzt, den Sachschaden schätzt die Polizei auf etwa eine Million Euro.

Historisches Gebäude komplett niedergebrannt

Für den Besitzer Marc Pfirter, Aargauer Staatsschreiber von 1996 bis 2004, ein schrecklicher Verlust. Er renovierte die Villa aus dem Jahr 1908, welche im ganzen süddeutschen Raum bekannt ist, vor acht Jahren. Am Sonntag musste er mit eigenen Augen ansehen, wie das Gebäude mit einer Wohnfläche von 1100 Quadratmetern und seinen 24 Zimmern komplett niederbrannte. Er wohnt zusammen mit seiner Frau gleich neben der historischen Villa in St. Blasien. «Ich bin mit meiner Frau um 21.30 Uhr mit dem Auto von einem Nachtessen zurückgekommen. 200 Meter vor dem Haus habe ich gesehen, dass es um die Villa Nebel hat», schildert Pfirter den Sonntagabend gegenüber ArgoviaToday. Das sei ungewöhnlich gewesen, da es in St. Blasien praktisch nie Nebel hat. Er stieg deshalb aus dem Auto und rannte auf die Villa zu. «Dabei stieg bissiger Rauch in meine Augen und es roch komisch.» Weil er aber kein Feuer entdeckte, öffnete er den Haupteingang der Villa. Es war alles voller Rauch und Pfirter kämpfte sich durch das Marmorfoyer in einen grossen Raum mit Kamin und Kronleuchter. «Ich habe dort dann die Fenstertür geöffnet, weil ich nicht mehr atmen konnte, und holte tief Luft.» Dann sei er wieder hineingegangen, öffnete ein Fenster auf der linken Seite des Hauses und rief nach seiner Frau. Diese rief ihm zu, dass das Haus brennt.

Gäste waren noch im Haus

Just in diesem Moment wurde Marc Pfirter klar, dass sich wahrscheinlich noch die Gäste, welche die Villa zu diesem Zeitpunkt gemietet hatten, in den oberen Stockwerken befinden müssen. Während seine Frau also die Feuerwehr alarmierte, wollte Pfirter nach oben – die mittlerweile sichtbaren Flammen versperrten ihm jedoch den Weg. Aus dem Untergeschoss, wo sich der Wellnessbereich befindet, hörte er aber laut und deutlich Frauenstimmen. Also eilte er hinunter und bemerkte, dass vier Frauen in der Sauna waren. «Sie haben nicht realisiert, dass das ganze Haus brennt. Deshalb hab ich sie schreiend darauf aufmerksam gemacht. Ich packte eine der Frauen am Arm und wollte sie hinauszerren.» Sie wollten jedoch nicht und machten sich noch beinahe lustig über den panischen Mann. Als dann aber auch die Gäste den Rauch rochen und draussen die Feuerwehrsirenen hörten, eilten alle zusammen schnell heraus. «Nur zehn Sekunden später krachte das Haus brennend zusammen», erinnert sich der ehemalige Aargauer Staatsschreiber.

Ein Stück Geschichte geht verloren

Draussen machte ihm die mittlerweile angerückte Feuerwehr schnell klar, dass die Jugendstilvilla aus dem Jahr 1908 verloren sei.

«Sie müssen sich das vorstellen: Dieses Gebäude hat beide Weltkriege überlebt. Es wurde von dem Industriellen Dr. Schröder gebaut und war reinster deutscher Jugendstil, hatte die perfekte Symbiose zwischen Funktionalität und Ästhetik.» Hört man Marc Pfirter zu, mit welcher Leidenschaft er über das Haus spricht, merkt man schnell, dass mit dem Brand nicht nur ein grosses finanzielles Loch entstanden ist, sondern auch ein unbezahlbarer, emotionaler Wert verloren ging.

Ein ungewisser Blick in die Zukunft

Die Villa Ferrette war mit fünf Millionen Euro versichert. Den tatsächlichen Wert des Denkmals gibt Pfirter jedoch mit sieben bis neun Millionen Euro an. Von diesem Geld sieht er aber nichts: «Entweder fliessen fünf Millionen Euro in den Wiederaufbau des Gebäudes oder es fliesst gar nicht», erklärt Pfirter. Ob das geschichtsträchtige Gebäude aber wieder aufgebaut wird, steht in den Sternen. Denn darüber muss der Denkmalschutz entscheiden. Dabei hatte er viel Geld in das Haus gesteckt, sich damit eine neue Existenz in der Schwarzwald-Region aufgebaut und einen Lebenstraum verwirklicht. Alles ist nun auf einen Schlag weg. «Es gibt jetzt keinen Verdienst mehr durch das Haus. Und ein Ersatzeinkommen habe ich nicht», sagt Pfirter. «Ich muss eine Güterabwägung machen. Was ist mehr wert? Das Denkmal oder meine Finanzen? Ich entscheide mich klar für das Denkmal.» Ob er sich das jedoch leisten könne, sei eine andere Frage. Denn wie bereits erklärt: Die fünf Millionen Euro fliessen nur, wenn das Gebäude wieder aufgebaut wird. Und das passiert nur, wenn der Denkmalschutz den Wiederaufbau als erstrebenswert einschätzt. Diese Einschätzung steht noch aus. Zusätzlich ist zu beachten, dass die fünf Millionen Euro für den kompletten Wiederaufbau nicht ausreichen werden.

Wie es also weitergeht, kann Marc Pfirter derzeit noch nicht sagen. Ein Wiederaufbau wäre wünschenswert, aus finanzieller Sicht aber schwierig zu stemmen. Jetzt muss er mit den Versicherungen und dem Denkmalschutz das weitere Vorgehen besprechen. Neben dem emotionalen Verlust steht Pfirter also auch vor einer ungewissen finanziellen Zukunft.

veröffentlicht: 28. Januar 2022 08:18
aktualisiert: 28. Januar 2022 08:18
Quelle: ArgoviaToday

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