Kollaps

Kantonsspital Aarau droht Überschuldung – Kanton soll das Spital mit 240 Millionen Franken retten

18.11.2022, 10:26 Uhr
· Online seit 18.11.2022, 07:50 Uhr
Das grösste Spital im Aargau hat beim Regierungsrat ein Gesuch für eine Finanzhilfe in der Höhe von 240 Millionen Franken eingereicht. Eine Bilanzsanierung beim Kantonsspital Aarau sei «unausweichlich», schreibt die Regierung. Auch personelle Konsequenzen in der Führungsetage schliesst sie nicht aus.
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Anfang September hat sich das Kantonsspital Aarau (KSA) ein Sparprogramm verordnet. Im nächsten Jahr wollte das Spital 25 Millionen Franken sparen beziehungsweise mehr einnehmen. CEO Anton Schmid sagte vor zweieinhalb Monaten: «Wenn wir gemäss Finanzplan für das Jahr 2023 auf Kurs bleiben wollen, müssen wir diese Ergebnisverbesserung von 25 Millionen herbeiführen.»

Nun zeigt sich, dass die finanziellen Probleme des grössten Spitals im Kanton weit grösser sind: Am Freitagmorgen hat das KSA mitgeteilt, es habe beim Regierungsrat ein Gesuch für eine Finanzhilfe in der Höhe von 240 Millionen Franken eingereicht.

Wertkorrektur würde Überschuldung auslösen

Praktisch zeitgleich hat am frühen Freitagmorgen auch der Regierungsrat über das Finanzhilfegesuch informiert. Der nach Aufforderung der Revisionsstelle durchgeführte Werthaltigkeitstest habe gezeigt, dass eine Wertberichtigung der Aktiven in der Höhe von 240 Millionen Franken notwendig sei. Der Regierungsrat schreibt: «Das KSA kann diese Wertminderung mit dem vorhandenen Eigenkapital nicht decken.»

Das Aktienkapital des KSA beträgt 250 Millionen Franken. Eine Wertkorrektur in der Rechnung würde laut Regierung je nach Höhe einen vollständigen Kapitalverlust oder eine Überschuldung auslösen. Das KSA müsste in diesem Fall seine Bilanz deponieren und es würde ein Insolvenzverfahren eingeleitet. Der Regierungsrat schreibt:

«Eine Bilanzsanierung des KSA ist damit unausweichlich.»

Auslöser für finanzielle Misere des Spitals sind laut Mitteilung der Regierung die aktuell hohen Investitionskosten (das KSA baut einen Neubau für mehr als 600 Millionen Franken), die Verschlechterung der Rahmenbedingungen (hohe Teuerung, Fachkräftemangel, Folgen der Pandemie) und der «anhaltend unbefriedigende Geschäftsverlauf».

Regierung schliesst personelle Konsequenzen nicht aus

Der Regierungsrat wird das eingegangene Finanzhilfegesuch nun prüfen und je nach Sanierungskonzept voraussichtlich im ersten Quartal 2023 eine Kreditvorlage an den Grossen Rat erstellen. Dann soll eine Anhörung durchgeführt werden. Mit dem Entscheid des Grossen Rats sei voraussichtlich im Sommer zu rechnen. Dagegen könnte das Referendum ergriffen werden. Dann müsste die Aargauer Stimmbevölkerung über die Rettung des KSA entscheiden.

Der Regierungsrat schliesst auch personelle Konsequenzen in der Führungsetage des KSA nicht aus. In der Mitteilung heisst es, die Regierung werde die «personelle Zusammensetzung des Verwaltungsrats angehen». Auch weitere Themen wie die künftige strategische Ausrichtung des KSA sowie mögliche Sanierungsmassnahmen will der Regierungsrat angehen.

Auswirkungen auf den Finanzhaushalt

Wenn der Kanton das KSA mit 240 Millionen Franken rettet, hat das Auswirkungen auf den Finanzhaushalt des Kantons. Auch wenn die Finanzhilfe an das KSA erst nach der Bewilligung durch den Grossen Rat oder allenfalls durch das Aargauer Stimmvolk ausbezahlt werden kann, falle die finanzielle Belastung beim Kanton aufgrund der in der Kantonsrechnung nötigen Wertkorrektur respektive Rückstellung im Rechnungsjahr 2022 an, heisst es in der Mitteilung.

Der Regierungsrat klingt zwar optimistisch, dass die «ausserordentliche Wertkorrektur des KSA finanziell abgefedert und voraussichtlich weitgehend aufgefangen werden kann». Eine genaue Aussage dazu sei jedoch erst mit dem Jahresergebnis im März möglich.

Am Aufgaben- und Finanzplan mit dem Budget 2023, der nächste Woche im Grossen Rat beraten wird, ändere sich nichts an der Ausgangslage. Die finanzielle Belastung des Kantons falle in der Jahresrechnung 2022 an. Der Grossen Rat wird sich mit der Sanierung des KSA im Frühjahr auseinandersetzen.

Gesundheitsversorgung sichergestellt

Das Finanzhilfegesuch hat keine Auswirkungen auf den laufenden Betrieb des Spitals. Die Liquidität sei «jederzeit sichergestellt» und die Patientinnen und Patienten können normal versorgt werden. Der Regierungsrat bedankt sich in seiner Mitteilung beim KSA-Personal für den vorbildlichen Einsatz.

veröffentlicht: 18. November 2022 07:50
aktualisiert: 18. November 2022 10:26
Quelle: Aargauer Zeitung (AZ) / Noemi Lea Landolt

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