Quelle: Tele M1 / Beitrag vom 08.12.22
Wenn am zweiten Donnerstag im Dezember im Bezirk Lenzburg das Chlausjagen gefeiert wird, ist die Freude in Hallwil gross – könnte man meinen. Denn während sich die in Hallwil Geborenen mehrere Monate im Voraus auf die Tradition vorbereiten, versetzt es die Zuzügler durchaus in Angst und Schrecken. So auch eine Familie, welche vor Jahren nach Hallwil gezogen ist. Wie Mutter Anna* zu ArgoviaToday sagt, war es für sie und Teile ihrer Familie ein Schock.
Traditionsgemäss rasseln sechs Jungen im Alter von 14 und 15 Jahren am Tag des Lenzburger Chlausmarktes im Laufschritt von Haus zu Haus, begleitet von erwachsenen Chlauschlöpfern. Bricht die Dunkelheit herein, beginnen sie mit ihrer Tour. Die Personen, die sie besuchen, erhalten Nüsse und Früchte. Allerdings nur, wenn sie mittels Rossstäuber (Pferdeschweif) und wildem Schellen von den Chlausen zu einer Gabe erweicht werden können. Den Clausen sind kaum Grenzen gesetzt, sie poltern lautstark an Türen und Fenstern und veranstalten einen riesen Krach.
«Ich hatte Angst, dass die Scheiben kaputtgehen.»
Dass es bei dem Brauchtum so zugeht, war Anna nicht bewusst. Nichtsahnend wurde die frisch nach Hallwil gezogene Familie vor Jahren vom Chlausjagen überrumpelt. «Wir waren am Zügeln und die Chlause haben wild und laut herumgetollt. Sie gingen in unser Haus und wollten Geld, damit sie wieder gehen.» Vor allem ihre Kinder waren von dem Auftritt sehr erschrocken. Und auch im Jahr darauf kam es zu einer ähnlichen Situation. «Wir waren zwar zu Hause, haben die Türe jedoch nicht aufgemacht.» Mit viel Tumult haben die Jungen mit «Söiblotere» an ihre Fenster geschlagen. «Sie sind sicher zehn Minuten um unser Haus gerannt und haben Lärm gemacht. Ich hatte Angst, dass die Scheiben dabei kaputtgehen», so Anna. Währenddessen haben sich ihre Kinder weinend unter der Bettdecke versteckt.
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Um das ein weiteres Mal zu verhindern, traf Anna im folgenden Jahr Vorsichtsmassnahmen. «Wir haben alle Läden geschlossen und das Licht gelöscht. So wusste niemand, dass wir zu Hause sind.» Weiter ging die Mutter mit ihren Kindern bereits um 20 Uhr zu Bett. «Das ist doch nicht normal, dass wir uns im eigenen Haus verstecken müssen.» Doch nicht nur bei Anna hält sich die Freude über die Tradition in Grenzen. Weitere Bewohnerinnen und Bewohner haben sich mit dem Anliegen an ArgoviaToday gewandt.
Noch keine Reklamationen bei der Gemeinde eingegangen
Dass sich einige Bewohnerinnen und Bewohner der Gemeinde Hallwil an dem «Chlausejagen»-Brauch stören, war Andrea Barth, Gemeindeschreiberin der Gemeinde Hallwil, bisher nicht bekannt. «Bei uns sind keine Reklamationen zum Chlausjagen eingegangen.» Wie Barth weiter erzählt, können sich Personen, welche nicht von den Chlausen gestört werden wollen, bei der Gemeindeverwaltung vorgängig melden. «Wir werden das anschliessen den Brauchtumsverantwortlichen weiterleiten», so Barth. Bis jetzt war das noch nie der Fall.
Ganz aus dem Nichts sollten die Chlause für Zugezogene nicht kommen. «Die Bevölkerung wird jedes Jahr in verschiedenen Zeitungsberichten, auf der Homepage der Gemeinde sowie mit Plakaten an den Dorfeingängen über die traditionellen Mittwinterbräuche informiert», so die Gemeindeschreiberin. Dazu werden die Schulkinder mit Vorträgen in das Brauchtum eingeführt. In diesem Jahr hatte sogar ein Informationsabend für die Eltern stattgefunden.
*Name geändert