116 Prozent. Das war der Kompromiss, der nach langen Diskussionen um den Steuerfuss 2024 in Wohlen gefällt wurde. Die Chronologie des Budgetstreits (siehe Box) in der Freiämter Gemeinde ist mittlerweile lang. Die Kurzversion lautet: Auf den Vorschlag des Gemeinderats, den Steuerfuss um satte 7 Prozentpunkte von 113 auf 120 Prozent zu erhöhen, schlugen Wogen der Empörung aus dem Einwohnerrat zurück, der den ersten Budget-Entwurf im vergangenen Oktober sogleich sehr deutlich mit 34 zu 3 Stimmen bachab schickte.
In einer weiteren Sitzung, zwei Monate später, einigte man sich erst nach einer epischen fünfstündigen Debatte auf den eingangs erwähnten Kompromiss. Es sei der einzige Weg, einerseits die tiefroten Zahlen im Budget wenigstens teilweise zu korrigieren und andererseits sicherzustellen, dass das Gesamtbudget von den Wählerinnen und Wählern an der Urne goutiert würde. So der Tenor im Rat.
Dies bewahrheitete sich denn auch, aber nicht ohne Nebengeräusche. Die Stimmbevölkerung nahm im Januar das Budget mit einer Steuerfusserhöhung von drei Prozentpunkten auf neu 116 Prozent zwar an, mit nur 52,5 Prozent Ja-Stimmen allerdings denkbar knapp. Man kann hier also getrost vom berühmten zähneknirschenden «Ja» sprechen – wobei das Knirschen so laut war, dass man es auch in Aarau noch gehört haben dürfte.
Gegessen ist die Geschichte damit noch nicht. Im Gegenteil. Ab Donnerstag wird sie gar um ein weiteres Kapitel reicher. Dann stellt Finanzvorsteherin Denise Strasser das Budget für 2025 vor, das erneut eine Steuerfusserhöhung auf 120 Prozent vorsieht. Der Gemeinderat schreibt in einer Mitteilung, dass die Erhöhung im letzten Jahr nicht im Umfang seines Antrags stattgefunden hat. Dies will er in diesem Jahr nachholen, denn: «Mit dem Budget 2025 erhöhen sich wiederum verschiedene Kosten, welche die ordentliche Entwicklung des Steuerertrages übersteigen.»
Ausgaben werden künftig steigen
Nur mit der Steuererhöhung auf 120 Prozent liesse sich ein (beinahe) ausgeglichenes Budget präsentieren, das derzeit ein vergleichsweise kleines Minus von 88'700 Franken vorsieht, ist der Gemeinderat überzeugt. Im vergangenen Jahr betrug das Defizit im ersten Budgetvorschlag noch 1,6 Millionen Franken. Doch auch die bessere Balance zwischen Ausgaben und Einnahmen dürfte die bürgerliche Mehrheit im Einwohnerrat kaum überzeugen. Auch dass der Sprung bei den Steuern diesmal nicht sieben, sondern nur noch vier Prozentpunkte beträgt, dürfte die Gemüter nicht besser stimmen.
Für den Gemeinderat ist indes klar, dass die Steuererhöhung nötig ist, um die immer höheren Ausgaben in Wohlen zu stemmen. Die grösste Gemeinde des Freiamts (knapp 17'900 Einwohnerinnen und Einwohner) wächst nämlich stetig und sieht sich auch künftig einer herausfordernden Finanzlage gegenüber. Dies verlange immer neue Investitionsprojekte, mit deren Inbetriebnahme auch der Abschreibungsbedarf steige, argumentiert der Gemeinderat. «Gleichzeitig steigen die Kosten im Gesundheitswesen weiter an. Haupttreiber ist der wachsende Pflegebedarf aufgrund zunehmender Alterung», heisst es in der Mitteilung. Auch bei den Kosten für Sonderschulung, Heime und Werkstätten sei laut Angaben Kantons Aargau mit höheren Kosten zu rechnen.
Wie entscheidet der Einwohnerrat?
Will der Gemeinderat einen ähnlich epischen Budgetstreit wie im vergangenen Jahr verhindern, wird er nun den Einwohnerrat überzeugen müssen. Ob das dieses Jahr gelingt, darf bezweifelt werden. Das Geschäft wird diesen Herbst behandelt.