Pride Month

Nach Übergriff in Zürich: Ist auch der Pride-Gottesdienst in Baden gefährdet?

25.06.2022, 07:02 Uhr
· Online seit 25.06.2022, 06:59 Uhr
Am vergangenen Sonntag versuchte eine mutmasslich rechtsextreme Gruppe, einen Pride-Gottesdienst in Zürich zu stören. Am Sonntag findet ein ähnlicher Pride-Gottesdienst in Baden statt. Ist auch dieser in Gefahr?

Quelle: CH Media Video Unit / TeleZüri

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Vergangenen Sonntag fand in Zürich ein Pride-Gottesdienst statt, der von Unbekannten gestört wurde: Einige weiss vermummte Männer versuchten, ein Kreuz mit der Aufschrift «No Pride Month» in die Kirche zu tragen. Hinter der Störaktion wird die rechtsextreme Gruppe Junge Tat vermutet. Am kommenden Sonntag wird auch in Baden ein solcher Gottesdienst stattfinden. Ist dieser ebenfalls in Gefahr?

Nein, sagte die Kantonspolizei Aargau gegenüber kath.ch: «Die Polizei hat Kenntnis vom entsprechenden Gottesdienst, es liegen allerdings derzeit keine Hinweise zu einer besonderen Gefährdung vor. Die weitere Entwicklung wird beobachtet; nötigenfalls folgen angemessene polizeiliche Massnahmen.»

Pfarrer hat keine Angst vor Übergriff während Gottesdienst

Auch Pfarrer Florian Rückel, der den Gottesdienst leiten wird, hat kaum Angst vor einem Übergriff. «Der Gottesdienst ist ein sehr sicherer Ort, hier kann kaum etwas passieren», sagt er. «Mir tun die Besucher des Gottesdienstes in Zürich aber sehr leid. Sie sassen mit dem Rücken zum Eingang, als die Eindringlinge versuchten, in die Kirche zu gelangen – und nach den Attentaten, die in den vergangenen Jahren stattgefunden haben, macht so etwas Angst.»

Diese Angst sei vor allem da, weil man in so einem Moment nicht wisse, was passieren würde. «Diesmal haben die Eindringlinge nur versucht, den Gottesdienst zu stören – aber es wäre auch möglich gewesen, dass es dabei nicht geblieben wäre», so Rückel. Trotzdem, so sagt Rückel, wolle er mit Blick auf seinen Gottesdienst in Baden nicht den Teufel an die Wand malen. Ausserdem, sei der eigentliche Heimweg die Gefahr und nicht der Gottesdienst.

Pride-Gottesdienst findet zum vierten Mal statt

Sobald die Besuchenden die Kirche verliessen, seien sie nicht mehr geschützt. «Auf dem Nachhauseweg drohen die Pöbeleien und Übergriffe. Es ist wie an der Pride: Am Anlass ist man relativ sicher, aber auf dem Heimweg werden der Bus, der Zug und der Gehsteig zu gefährlichen Orten», so Rückel.

Rückel organisiert den Pride-Gottesdienst dieses Jahr zum vierten Mal. Er findet im Juni statt, dem sogenannten «Pride-Monat», der an die ersten Proteste homosexueller Menschen im Juni 1969 erinnert.

Für Pfarrer Rückel kommt es nicht in Frage, Anlässe wie den Pride-Gottesdienst nicht mehr zu organisieren, auch wenn Übergriffe nicht ausgeschlossen werden können. «Sichere Orte wie dieser Gottesdienst, an denen das Gemeinschaftliche Platz findet und alle genau so sein können, wie sie möchten, sind enorm wichtig. Uns zu verstecken, ist keine Option.»

Austausch über Übergriffe gibt Kraft

Trotzdem wird am Gottesdienst nicht nur Glückliches thematisiert, im Gegenteil: Einige Mitglieder der queeren Community werden von Übergriffen erzählen, die sie bereits erleben mussten, darunter auch Pfarrer Rückel: «Der Austausch über Schattenseiten ist enorm wichtig», erklärt er, «wir wollen Raum bieten für alle Erfahrungen, über die Menschen sprechen wollen, um zu zeigen, dass diese Erlebnisse keine vernachlässigbare Einzelfälle sind und ernst genommen werden.» Immer wieder Übergriffe zu erleben, «nagt mit der Zeit an der Substanz», erzählt Rückel. «Sich darüber auszutauschen, gibt Kraft, um damit umgehen zu können.»

Laut Rückel sind Anlässe wie der Pride-Gottesdienst wichtig, weil es in der Kirche mehr brauche als Lippenbekenntnisse. «Die Kirche hat queere Menschen jahrhundertelang diskriminiert, ausgeschlossen und unterdrückt. Es heute und in Zukunft besser zu machen, braucht mehr als ein: ‹Willkommen LGBTQ-Community›". Vertrauen aufzubauen, sagt Rückel, werde Zeit und viel Engagement brauchen. Für die Kirche sei ein Gottesdienst ein guter Anfang, «aber eben auch nur das».

Der Gottesdienst am Sonntag wird unter dem Motto «Traut euch!» stattfinden und soll auch eine Aufforderung an queere Paare sein, sich nach dem Inkrafttreten der «Ehe für alle» am 1. Juli kirchlich trauen zu lassen. Die Kollekte wird an die «Milchjugend» gehen, die grösste Jugendorganisation für queere Jugendliche.

(Andrea Marti/Aargauer Zeitung)

veröffentlicht: 25. Juni 2022 06:59
aktualisiert: 25. Juni 2022 07:02
Quelle: Aargauer Zeitung

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