Jean Merz, getauft Hans, war ein Coiffeurmeister, der 1872 in Reinach geboren wurde. Seine Enkelin Antoinette Mächtlinger, die in den 30ern geboren wurde, erinnerte sich 2016 in der «Thurgauer Zeitung» bestens an die Weihnachtsfeiern. «Das war immer ein grosses Fest», so Mächtlinger. Eine besondere Erinnerung an ihren Grossvater war ein Weihnachtsmorgen in Zofingen. Die Männer der Familie waren auf dem Heimweg vom Frühshoppen etwas wackelig auf den Beinen, Grossvater Jean fiel dabei in den eisigen Dorfbach.
Jean Merz hinterliess insgesamt 407 Glasnegative, die zwischen 1909 und 1919 aufgenommen wurden.
Ein Weihnachtsmenü für ein paar Franken
So wie heute durfte auch früher ein ausgiebiges Weihnachtsmahl nicht fehlen. Die Mitteilung über die Preise der wichtigsten Lebensmittel und anderer Bedarfsartikel im Januar 1910 gibt Aufschluss darüber, wie viel eine Weihnachtsmahlzeit ungefähr hätte kosten können. Ein halbes Kilogramm Ochsenfleisch war damals in Aarau im Schnitt für 90 Rappen zu haben. Etwas teurer waren Schweine- und Kalbfleisch, welche rund 1.10 Franken respektive 1.20 kosteten.
Aus heutiger Sicht fast gratis waren die Kartoffeln. Ein halbes Kilogramm davon wurde für rund 6 Rappen verkauft, 50 Kilogramm gab es für etwa 5 Franken. Etwas teurer war das Brennholz: 15 Franken kostete ein Kubikmeter geschichteter Holzscheite.
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Zeiten ändern sich, der Weihnachtsbaum bleibt bestehen
Der Weihnachtsbaum gehört schon seit Urzeiten zum fixen Bestandteil der Weihnacht. In den 20ern kostete ein Weihnachtsbaum zwischen 80 Rappen und 1.50 Franken. Aus heutiger Sicht ein beneidenswert preiswertes Angebot. Doch in Relation gestellt – eine Zettlerin (Weberei-Angestellte) verdiente zu Beginn des 20. Jahrhunderts 19 Rappen und ein Schlosser rund 44 Rappen pro Stunde – erscheint der Preis doch nicht allzu günstig.
Wie beliebt die Weihnachtsbäume aus dem Aarauer Stadtwald waren, zeigt der IBA-Film «Der Aarauer Weihnachtsbaum» aus dem Jahre 1957 von der Aufzucht bis zum Verkauf auf dem Kasernenareal. Pünktlich um 13 Uhr, als sich die Tore öffnen, rennt gefühlt die ganze Stadt Aarau. Alle schnappen sich den nächstgelegenen Baum, denn sonst geht er an jemand anderes. «Befriedigt und voll Vorfreude auf das kommende Fest verlassen sie mit ihren Bäumchen den Kasernenhof», so der Einblender am Schluss des Films.
Der Geist der Weihnacht in schwierigen Zeiten
Die schwierigen Jahre des Zweiten Weltkrieges wurden zusätzlich durch die Diphtherie-Epidemie belastet. Rund drei Millionen Tote forderte die Krankheit in Europa. Ein Bericht aus der Schweizer Lehrerinnen-Zeitung aus dem Jahr 1945 überliefert die dennoch festliche Stimmung an der Weihnachtsfeier in der Aarauer Spitalschule: «Heute riecht es nicht nach Lysol, nicht nach Spital. Durch die ganze Diphtheriebaracke zieht ein herrlicher Tannenduft. Die Türe zum grossen Mädchensaal ist seit Morgenfrüh geschlossen. Aber wenn man durchs Schlüsselloch guckt, glänzt irgendetwas goldig, blau und feurig rot, und man hört die Schwester mit dem Christkind flüstern. Oh, wenn man's doch sehen könnte! Bald, bald!»
Die Geschenke waren nicht die Hauptsache, keines der Kinder stürzte sich darauf. Alle starrten in die Lichter und alle waren froh. Einige Kinder waren weit entfernt von ihrer Heimat und in ihrem jungen Leben hatten sie bereits vieles erleben müssen. «Nun stehen die vier Franzosenkinder zum Baum immer noch bleich, zart und unterernährt, mit ihren Kinderstimmen singen sie ein wenig zu ernst für ihr Alter: ‹Mon beau sapin, roi des forêts... › Weihnachten im Friedensland, in Wärme und Lichterschein. Was soll aus ihnen werden? Jedes hat schon seine kleine, traurige Geschichte: keinen Vater mehr, tuberkulöse Eltern, selbst gefährdet. Und da singen sie unter frohen Kindern das Weihnachtslied ihres Landes.»
Doch schon damals passierten an Weihnachten kleine Wunder. Denn der Bericht endet mit den Worten: «Für all aber wird dieses Weihnachtsfest im Spital, fern von den Lieben daheim, fern vom Heimatland, in ihrer Erinnerung eines der schönsten bleiben.»