Knochenkrebs im Endstadium: So lautete die Diagnose, die Patrizia Manolio aus Lenzburg im Jahr 2010 bekam. Die darauffolgende Chemotherapie dauerte eineinhalb Jahre und zerstörte ihre Nieren. Der Weg zur Nierentransplantation war nicht einfach. «Ich war vier Jahre auf der Warteliste, bevor sich meine Schwester dafür bereit erklärte, mir eine Niere zu spenden», erzählt Manolio, welche bei Swisstransplant im Executive Support arbeitet. Ihre Schwester wollte von Beginn an spenden, jedoch war sie zu dem Zeitpunkt noch sehr jung und hatte mit der Familienplanung noch nicht abgeschlossen. «Bei der Organspende möchte man auf Nummer sicher gehen, dass man die spendende Person in keiner Weise gefährdet», erklärt Manolio gegenüber ArgoviaToday.
Die Wahl fiel dann zuerst auf ihren Cousin, welcher nach einigen Abklärungen aber doch nicht infrage kam. Daraufhin schaltete sich ihre Schwester wieder ein, trotz Risiko für eine spätere Schwangerschaft. Die Angst blieb unbegründet: Vor ein paar Monaten hat ihre Schwester trotz einer Niere eine gesunde Tochter zur Welt gebracht.
Die lange Zeit auf der Warteliste war belastend. Die 38-Jährige fühlte sich immer schlechter und hatte Komplikationen mit dem Dialysezugang. Die Dialyse ist ein Blutreinigungsverfahren, welches bei Personen mit Nierenversagen angewendet wird. Zusätzlich hatte Manolio eine Thrombose, welche zu einer Embolie führte. «Ich ging unglaublich schwach in die Transplantation rein», so die Aargauerin. Die Nierenspende war für sie lebensnotwendig. «Ich weiss nicht, wie lange ich ohne meine Schwester auf der Warteliste gewesen wäre», meint Manolio heute.
In der Schweiz gibt es zu wenig Organspenderinnen und -spender
Im Jahr 2020 haben in der Schweiz 146 verstorbene Personen und 83 lebende Personen eine Organspende gemacht. Das entspricht bei den Todspenden einem Rückgang von elf Prozent und bei den Lebendspenden sogar von 27 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Insgesamt 1'457 Personen befanden sich 2020 auf der Warteliste für eine Organspende, 42 Prozent mehr als im Jahr davor. Am meisten benötigt werden Nieren, gefolgt von der Leber und dem Herz.
Bundesrat will erweiterte Widerspruchslösung
Eine mögliche Lösung, mehr Organspenderinnen und -spender zu finden, bildet die sogenannte Widerspruchslösung. Diese hätte zur Folge, dass jede Person zukünftig automatisch einer Organspende zustimmt. Wer keine Organspende machen will, muss diese explizit ablehnen. Die Volksinitiative «Organspende fördern – Leben retten», welche im März 2019 eingereicht wurde, wollte die Widerspruchslösung in der Schweiz einführen. Bundesrat und Parlament haben die Initiative Ende 2020 jedoch abgelehnt und einen Gegenvorschlag definiert. Sie sprechen sich für die sogenannte «erweiterte Widerspruchslösung» aus. Diese bezieht zusätzlich die Entscheidungsmacht der Angehörigen mit ein. Wenn eine verstorbene Person ihre Einstellung zur Organspende nicht dokumentiert hat, können die Angehörigen sich an ihrer Stelle gegen die Organspende aussprechen.
Gegen die erweiterte Widerspruchslösung wurde aber das Referendum ergriffen. Die benötigten 50'000 Unterschriften wurden erreicht. So wird es am 15. Mai zur Volksabstimmung kommen. Für Patrizia Manolio ist klar: Sie will die erweiterte Widerspruchslösung. «Ich finde es wichtig, den Entscheid für oder gegen die Organspende festzuhalten.» Im schlimmsten Fall solle ihre Familie dies jedoch für sie bestimmen können. Sie selbst habe aber bereits entschieden und würde auf jeden Fall spenden.
(pro)