Am 12. Februar befinden die Delegierten der FDP über eine Resolution ihrer kantonalen Parteipräsidenten. Das Papier enthält einen Abschnitt, wonach das Verbot des Baus neuer Kernkraftwerke aufgehoben werden soll. Es seien die Voraussetzungen zu schaffen, um «namentlich KKW der neuen Generation» zuzulassen.
Die Forderung ist innerhalb der FDP umstritten. Noch nicht bekannt war bisher, dass der Bau neuer Kernkraftwerke in der vergangenen Woche auch in der zuständigen Kommission des Ständerats ein Thema war. Die Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie beriet den sogenannten Mantelerlass. Das ist die Zusammenführung des Energiegesetzes mit dem Stromversorgungsgesetz.
SVP-Ständerat Hansjörg Knecht bringt einen Antrag in die Kommission ein
Der Aargauer SVP-Ständerat Hansjörg Knecht brachte einen Antrag ins Gremium ein: Der Bau von Kernkraftwerken soll wieder möglich werden. Die Schweizer Stimmberechtigten hatten dem Verbot im Jahr 2017 zugestimmt.
Knechts Antrag fiel überaus deutlich durch – wobei die Quellen unterschiedliche Angaben machen. Anwesend waren alle 13 Mitglieder der Kommission. Jemand sagt, der Antrag sei mit zwölf zu einer Stimme abgeschmettert worden. Es kursiert jedoch auch die Version, dass die Abstimmung mit elf zu zwei ausgegangen sei. Es herrscht Verwirrung darüber, ob das zweite SVP-Mitglied der Kommission, der Thurgauer Jakob Stark, die Forderung seines Parteikollegen unterstützte oder nicht.
Fest steht aber: Die Vertreter aller anderer Parteien lehnten den Antrag geschlossen ab. Vier Politiker der Mitte, zwei Sozialdemokraten und zwei Grüne stimmten Nein; dasselbe taten drei freisinnige Ständeräte: Ruedi Noser (Zürich), Damian Müller (Luzern) und Martin Schmid (Graubünden).
Abwenden der Stromlücke 2025 steht im Vordergrund
Für die Befürworter neuer Kernkraftwerke ist das Resultat ernüchternd. Der Schwyzer Mitte-Ständerat Othmar Reichmuth will keine Angaben zum Verlauf der Kommissionssitzung machen, er begründet aber seine politische Position: «Bevor man den Bau eines neuen Atomkraftwerkes prüfen kann, braucht es eine anwendbare neue Technologie. Die gibt es noch nicht», sagt Reichmuth. Er betont ausserdem: «Wir sollten uns jetzt nicht verzetteln, sondern uns darauf konzentrieren, wie wir die Stromlücke verhindern können. Ein Atomkraftwerk hilft uns dabei nicht.»
Ein neues Kernkraftwerk hilft nicht gegen die Stromlücke, die der Schweiz im Winter 2025 droht – dieses Argument nennen mehrere Mitglieder der Kommission. Der Solothurner Mitte-Ständerat Pirmin Bischof ergänzt, dass die Laufzeiten der bestehenden Kernkraftwerke von 50 auf 60 Jahre verlängert werden sollte. Und die Forschung an neuen Kraftwerkstypen – zum Beispiel am Paul Scherrer Institut – dürfe nicht mit einer Kürzung der finanziellen Mittel gestoppt werden.
Offizielle Information über delikate Sitzung erst später
Was sagt Ständerat Knecht dazu, dass sein Antrag für den Bau neuer Kernkraftwerke durchgefallen ist? Auch er will sich zur Sitzung nicht äussern. Eine Medienmitteilung zu den Beratungen wird später verschickt. Knecht vertrat bisher stets die gleiche Meinung: Den Bau neuer Kernkraftwerke zu verbieten, sei falsch – was die Förderung erneuerbarer Energiequellen in keiner Weise ausschliesse.
Knecht ist da auf einer Linie mit dem zweiten Ständerat aus dem Aargau, Thierry Burkart. Kaum im Amt als Präsident der FDP, sagte er im Oktober 2021 an einer Versammlung der Aargauer Freisinnigen: Die FDP sei immer gegen ein Technologieverbot gewesen und dafür, dass die KKW so lange laufen dürften, als sie sicher seien. Die FDP stimmte allerdings der Revision des Energiegesetzes zu, das 2017 ein Verbot neuer Kernkraftwerke brachte.
Ob das Neubauverbot für Atommeiler aufgehoben werden soll, ist umstritten unter Freisinnigen. Einige Exponenten kritisierten den Plan in den Medien, worauf Burkart im Tages-Anzeiger den Wunsch äusserte, dass solche Diskussionen intern geführt werden sollten.
«Ich habe geglaubt, meine Partei habe aus den Fehlern der letzten Jahre gelernt»
sagte der Präsident in diesem Zusammenhang. Den Mahnruf nahmen einige Parteigänger erstaunt zur Kenntnis. Es ist nicht lange her, dass Burkart beim CO2-Gesetz und beim Rahmenabkommen eigene Positionen vertrat – und aus seinem Herzen keine Mördergrube machte.
(Francesco Benini, Aargauer Zeitung)