Schimpfwörter der übelsten Sorte, Respektlosigkeit, Ungeduld, Aggressivität prägten das Familienleben, in der das zerebral beeinträchtigte Mädchen aufwuchs. Dies machten einige Chats und Protokolle von Gesprächen unter den Eltern deutlich, welche die Staatsanwältin am Dienstag im Rahmen ihres Plädoyers vorlegte.
Das Kind habe zwar eine lebenslange Beeinträchtigung gehabt. Dass diese nicht heilbar war, bedeute aber nicht, dass der Zustand des Mädchens nicht hätte verbessert werden können, sagte sie. Dies sei auch die Ansicht der Ärzte und Therapeuten gewesen. Die Eltern hätten sämtliche Massnahmen abgelehnt oder gar aktiv verhindert, wie etwa das Einsetzen einer Magensonde.
Staatsanwaltschaft: Eltern handelten egoistisch
Als das Ausmass der Behinderung klar war, sei für die Eltern festgestanden, dass ihre Tochter sterben musste, wie die Anklägerin sagte. Sie hätten nicht abgewartet, welche Verbesserungsmöglichkeiten es gegeben hätte. Die Staatsanwältin präsentierte Fotos des Kindes, aufgenommen kurz vor dessen Tod, die ein fröhlich wirkendes kleines Mädchen zeigten.
Auch dies widersprach den Schilderungen der Eltern, wonach das Kind dauernd und zunehmend unter Schmerzen und Krämpfen gelitten habe und immer trauriger geworden sei. Die Anklägerin zitierte die Physiotherapeutin des Kindes, welche dieses als motiviertes, positives, fröhliches Mädchen bezeichnete, es sei «eine Strahlerin» gewesen.
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Wie die Aargauer Zeitung berichtet, führte die Staatsanwältin in ihren Plädoyers weiter aus, dass die angeklagten Eltern aus egoistischen Gründen gehandelt hatten. Die Eltern stellten sich mit ihren Aussagen am ersten Prozesstag auf den Standpunkt, dass dem schwer beeinträchtigten Kind nicht zu helfen sei und sie es deshalb erlösen wollten. «Der Tod hat sicher nicht dem Wunsch des Kindes entsprochen», hält die Staatsanwältin entgegen. Zudem sagt sie weiter, dass zwischen dem Kind und den Eltern ein immenses Vertrauens- und Abhängigkeitsverhältnis bestanden habe. Aufgrund der schweren Beeinträchtigung sei das Kind «in besonderem Masse» abhängig von ihren Eltern gewesen. «Sie war ihrem Umfeld ausgeliefert.»
Verteidigung: Aussagen aus dem Zusammenhang gerissen
Der Verteidiger der angeklagten Mutter hingegen zeichnet ein anderes Bild der Familie. Die von der Staatsanwaltschaft als Beweise vorgelegten Fotos und Chats aus dem Familienleben seien aus dem Zusammenhang gerissen. Jede Familie würde darunter leiden, wenn ein Kind nächtelang schreit.
Die Staatsanwaltschaft gehe zu Unrecht von Mord aus, so die Verteidigung weiter. Es falle auf, dass in der Anklage «leere Schlagworte» verwendet würden, ohne belegbare Indizien. Die Staatsanwaltschaft stütze sich im Wesentlichen auf eine Magensonden-Operation, die dem Mädchen bei der Nahrungsaufnahme hätten helfen sollen, von den Eltern aber in letzter Minute abgesagt wurde. Die Staatsanwältin blende jedoch aus, wie schwer dieser Schritt für Eltern sein könne, so der Verteidiger.
Es sei zudem «grob lückenhaft», wenn die Staatsanwaltschaft von Verbesserungen für das Mädchen im Laufe ihres Lebens spreche. Das Kind hätte ihr ganzes Leben lang gelitten und abgesehen von der Magensonde habe es keine medizinischen Möglichkeiten für gesundheitliche Verbesserungen gegeben. «Und auch die Magensonde hätte nur eines ihrer Probleme entschärfen können.»
Urteilsverkündung am Freitag
Am Dienstagnachmittag werden die Verteidiger des angeklagten Vaters und der ebenfalls angeklagten Grossmutter ihrerseits Plädoyers halten. Die Urteilsverkündung wird am Freitag erwartet.
Die Staatsanwaltschaft Muri-Bremgarten fordert eine Verurteilung der Eltern des Kleinkindes wegen Mordes und eine Bestrafung mit je 18 Jahren Freiheitsentzug. Wie die Staatsanwaltschaft bei der Anklageerhebung im vergangenen Herbst weiter mitteilte, soll die Grossmutter wegen Gehilfenschaft zum Mord mit fünf Jahren Freiheitsentzug bestraft werden. Zudem seien die drei aus Deutschland stammenden Beschuldigten für je 15 Jahre des Landes zu verweisen.
(red./sda)