Aargau/Solothurn

Warum es in der Lehre als Bekleidungsgestalterin keinen Lohn gibt

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Warum es in der Lehre als Bekleidungsgestalterin keinen Lohn gibt

· Online seit 25.02.2023, 14:20 Uhr
Wer sich in der Schweiz für eine Lehre entscheidet, kriegt im ersten Ausbildungsjahr einen Lohn von einigen hundert Franken. Im letzten Lehrjahr sind es meist deutlich über Tausend. Nicht so bei der Lehre zum Bekleidungsgestalter – da zahlst du je nach dem noch obendrauf.
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Wer in der Schweiz eine Lehre machen will, hat die Qual der Wahl: Rund 250 Grundausbildungen werden hierzulande angeboten. Wichtigster Grund, für welchen Lehrgang man sich entscheidet, sollte das eigene Interesse sein – die Höhe des Lohns ist für viele aber ebenfalls von grosser Bedeutung.

Die Bekleidungsgestaltungs-Lehre gehört zu den am schlechtesten bezahlten Ausbildungen in der Schweiz – und in vielen Fällen bekommen die Lernenden gar nichts mehr oder bezahlen gar noch Ausbildungskosten.

Schule anstatt Lehrbetrieb

Laut Adrian Reber, Präsident von Swissmode, liegt dies daran, dass sich die Lernenden immer öfters an Schulen ausbilden lassen: «Es werden sicher deutlich mehr als 70 Prozent der Ausbildungsplätze an Schulen angeboten, weil die Ateliers immer mehr aussterben.» Zwar gebe es fast überall noch Schneider-Ateliers, allerdings würden diese immer seltener Lernende ausbilden, da es zu kompliziert und aufwendig sei.

An Schulen, welche Lernende ausbilden, sei es im Gegensatz zu Privatateliers üblich, dass kein Lohn bezahlt wird, so Reber weiter. Dafür hätten die Lernenden in Lernwerkstätten – wie die Ausbildungsbetriebe an Schulen auch genannt werden – viel mehr Ferien, in denen sie sich etwas dazu verdienen können. Ausserdem gebe es Schulen, die den Lernenden eine Semesterprämie zahlen. Dies, weil die Schulen zwar nicht gewinnorientiert arbeiten, aber auf Grund von kantonalen Regelungen trotzdem einen gewissen Umsatz generieren und wirtschaftlich denken müssen.

Meinungen gehen auseinander

Für Adrian Reber ist die Lohnfrage ein Grundsatzentscheid, den man trifft, wenn man sich für eine Ausbildung entscheidet. «Wenn ich kein Lehratelier finde und mich für die schulische Ausbildung entscheide, weiss ich, dass es keinen Lohn gibt. Da gibt es später gar keine Diskussion mehr. Und wenn ich eine Lehre machen will, bei der ich Geld verdiene, dann mache ich halt nicht Bekleidungsgestaltung.» Ausserdem gebe es die Möglichkeit für Stipendien oder andere Programme, damit man sich die Ausbildung finanzieren kann.

Nora Walther, Lernende im Atelier für Bekleidungsgestaltung am Berufsbildungszentrum BBZ Freiamt Lenzburg, findet es nicht in Ordnung, dass sie keinen Lohn erhält: «Ich habe auch schon versucht, mich dafür einzusetzen, aber es hat nicht viel gebracht.» Um wenigstens einen kleinen Nebenverdienst zu haben, arbeitet Nora Walther rund einen Tag pro Woche in einem Restaurant. So sei sie etwas unabhängiger von den Eltern, auf Unterstützung sei sie aber trotzdem angewiesen.

Situation im Kanton Aargau

Im Kanton Aargau gibt es drei Schulen, an denen man sich zur Bekleidungsgestalterin ausbilden lassen kann. In allen drei Ausbildungsstätten erhalten die Lernenden keinen Lohn. «Der Kanton hat vor etwa vier Jahren aus Spargründen beschlossen, den Lehrlingslohn zu streichen. Wir sind vom Kanton subventioniert und erhalten pro Lernende eine Pauschale. Mit dem Geld muss der jeweilige Betrieb durchkommen», erzählt Ingrid Arnold, Atelierleiterin an der BBZ Freiamt Lenzburg. Den Lernenden weiterhin einen Lohn zu bezahlen, liege finanziell nicht drin.

Mittlerweile sei es in vielen Kantonen so, dass die Lernenden kein Gehalt mehr bekommen, erzählt Arnold weiter. An gewissen Orten bezahle man sogar noch für die Lehre. Ausserdem bringe die Ausbildung an einer Schule auch viele Vorteile: «Wenn man in einem privaten Atelier lehrt, muss man viel wirtschaftlicher denken als in einer Lehrwerkstatt. Wir haben hier die Möglichkeit, besser auf jeden einzelnen einzugehen.»

veröffentlicht: 25. Februar 2023 14:20
aktualisiert: 25. Februar 2023 14:20
Quelle: ArgoviaToday

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