Insektenburger

Zurzibieter Mehlwürmer zum Zmittag?

· Online seit 12.12.2021, 07:47 Uhr
Vor drei Jahren startete ein Tierarzt auf dem umgebauten Bauernhof seiner Eltern in Endingen eine Insektenzucht. Mit den essbaren Insekten sollte der hiesige Fleischmarkt revolutioniert werden. Wir haben beim Aargauer Insektenbauer nachgefragt, was daraus geworden ist.
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Als erstes Land Europas bewilligte die Schweiz im Mai 2017 Insekten als Lebensmittel. Zugelassen sind hierzulande drei Arten: Mehlwürmer, Grillen und Wanderheuschrecken. Der Hype um essbare Insekten war riesig, die mediale Aufmerksamkeit gross. Und Mitten im Hype befand sich ein Aargauer Start-Up. Denn am Anfang fehlten in der Schweiz die Insekten - sie mussten aus dem Ausland importiert werden. Ein Endinger Tierarzt schaffte Abhilfe. Auf dem umgebauten Bauernhof seiner Eltern züchtet Benjamin Steiner mit seiner Firma «Ensactable» nun seit drei Jahren Mehlwürmer. Diese werden in einem anderen Betrieb weiterverarbeitet, zu Burgern, Meatballs und Snacks.

Trotz des anfänglichen Hypes sind Insekten auf den Tellern der Schweizerinnen und Schweizer bisher nicht so richtig angekommen. Im Jahr nach der Einführung von Insekten in Schweizer Läden wurde damit ein Umsatz von 0,4 Millionen Franken erzielt – seither ist der Umsatz laufend gesunken. Im Jahr 2020 erreichte er noch 0,29 Millionen Franken.

Das Insekten-Business läuft

Dass der Hype um essbare Insekten von kurzer Dauer sein würde, das war Benjamin Steiner von Anfang an klar. «Wenn man schnell viel Geld machen will, sollte man nicht in Insekten investieren», stellt er klar. «Innovationen in der Lebensmittelbranche brauchen viel Geduld.» Dass die Nachfrage nach einem ersten Run zurückgehe und dann nur sehr langsam wachse, das sei völlig normal.

Dennoch bleibt die Zurzibieter Firma «Ensectable» nicht auf ihren Mehlwürmern sitzen. Im Gegenteil. «Wir kommen mit der Produktion gar nicht nach», sagt der Firmengründer Benjamin Steiner. Sie seien eigentlich immer ausverkauft. Rund 200 Kilogramm Mehlwürmer züchtet der Endinger im Moment pro Monat, Tendenz steigend. Seit kurzem hat er auch eine Angestellte.

Vom Ei zum Burger

In einem Insektenburger stecken rund 300 Mehlwürmer, es gibt also einiges zu tun, bis der Burger auf den Tellern landet. Mehlwürmer sind streng genommen keine Würmer, sondern die Larven des Mehlkäfers. Die Zucht eines Mehlwurms beginnt also mit einem Ei eines Mehlkäfers. Nach etwa einer Woche schlüpft aus dem Ei eine Larve. Diese wird dann gefüttert. «Wir versuchen, keine Nahrungsmittel zu verwenden, die der Mensch auch essen könnte», erklärt Steiner. Stattdessen fressen die Mehlwürmer das Kraut der Rüben, Weizenkleie oder Biertreber. Ausgemästet sind die Bio-Mehlwürmer nach zwölf Wochen. Dann werden die Insekten zuerst gekühlt, was sie betäubt, und dann gekocht. «So kann man sie relativ schonend verarbeiten», erklärt Benjamin Steiner. Als Tierarzt sei ihm eine artgerechte Verarbeitung wichtig.

Blick über den Tellerrand hinaus

Burger, Proteinriegel und Snacks aus Insekten verharren trotzdem in der Nische. Das hat nach Steiners Meinung weniger damit zu tun, dass sich Schweizerinnen und Schweizer davor ekeln, Insekten zu essen. «Wenn wir bei Führungen Insekten zum Essen anbieten, probieren jeweils 19 von 20 Personen», sagt Benjamin Steiner. Das Problem sei viel mehr, dass es an einem überzeugenden Produkt fehle. «Wenn ich einen Rindsburger und einen Insektenburger probiere, schmeckt der Rindsburger aktuell einfach noch besser», urteilt Steiner. Auch wenn das Produkt noch nicht vollständig überzeugt, lohne sich der Blick über den Tellerrand, meint Steiner. Insekten haben viele Vorteile. Sie brauchen weniger Land, weniger Wasser und weniger Futter  und sie verursachen weniger Treibhausgase. «Wir können den wachsenden Fleischhunger der wachsenden Weltbevölkerung nicht mit herkömmlichem Fleisch decken», ist Steiner überzeugt. «Insekten machen da einfach Sinn.»

(cel)

veröffentlicht: 12. Dezember 2021 07:47
aktualisiert: 12. Dezember 2021 07:47
Quelle: ArgoviaToday

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