«Rechtsradikales Gedankengut»

Geplanter Auftritt von Metal-Band in Köniz sorgt für Kontroverse

19.12.2022, 14:49 Uhr
· Online seit 16.12.2022, 19:14 Uhr
«Forgotten Tomb» ist eine italienische Metal-Band, die in der Vergangenheit mehrfach mit homophoben und antisemitischen Äusserungen auf sich aufmerksam gemacht hat. Am Samstag spielt sie als Hauptact im Kulturhof Schloss Köniz. Der Veranstalter verteidigt die Band und sagt, sie habe sich bereits von solchen Äusserungen distanziert.
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Update: Das Konzert wurde am Freitagnachmittag kurzfristig abgesagt.

Der Samstag dürfte im Kalender vieler Metal-Fans fett eingetragen sein: Im Kulturhof des Schlosses Köniz findet das Underground Black Metal Festival «Wintertime Depression» statt.  Hauptact ist die italienische Metal-Band «Forgotten Tomb», die anlässlich ihres zehnten Albums «Nihilistic Estrangement» ein exklusives Konzert im Schloss Köniz spielt. Doch der Auftritt der italienischen Band sorgt nicht nur für Freude. Warum?

Nähe zur rechten Metal-Szene

Die 1999 gegründete Band – insbesondere deren Frontmann «Herr Morbid» – fiel in der Vergangenheit mehrfach durch homophobe und antisemitische Äusserungen auf. So nannte er beispielsweise die Auktionsplattform anstatt eBay «eGay», auch bezeichnete er sie als «verdammtes jüdisches Geschäft», spannte mit einer italienischen Rechtsrock-Band zusammen und wurde dafür vom Metal-Magazin «Legacy» boykottiert.

Zudem wird der Band Nähe zum National Socialist Black Metal vorgeworfen. So spielte der Bassist von «Forgotten Tomb» schon gemeinsam mit «Kaiser W.». Dieser lancierte das Musikprojekt «Ad Hominem», welches sich mit rechtsextremem Gedankengut, Vernichtungswahn und Antisemitismus beschäftigt. Im Lied «Auschwitz rules» verherrlicht «Ad Hominem» gar die industrielle Massenvernichtung während der NS-Zeit.

Kulturhof verteidigt Band

Gründe genug für die Antifa Bern, um via Twitter auf die kontroverse Band aufmerksam zu machen.

Kritik bekam auch der Kulturhof Schloss Köniz als Veranstaltungsort ab. Am Mittwoch veröffentlichte der Kulturhof deshalb ein Statement auf Facebook, in dem er sich – gemeinsam mit dem Festival «Wintertime Depression» – gegen rechtsradikales Gedankengut ausspricht.

Im Post weisen die Veranstalter von «Wintertime Depression» mit Weblinks darauf hin, dass sich «Forgotten Tomb» in der Vergangenheit mehrmals öffentlich von Rechtsextremismus distanziert habe. Die im Post verlinkten Beiträge stammen aus den Jahren 2010 bis 2014. Antifa Bern wirft der Band vor, sich «nur vage» von Rechtsextremismus distanziert zu haben.

«Grenzwärtiger Fall»

Wie ist «Forgotten Tomb» in der Metal-Szene einzuordnen? BärnToday hat bei einem Metal-Fan nachgefragt. Phil ist ein sogenannter Metalhead und kennt die kontroverse italienische Metal-Band. «Wenn man Bands aus dem Black Metal-Bereich recherchiert, stösst man früher oder später auf ‹Forgotten Tomb›. Das heisst nicht, dass sie extrem bekannt sind – es ist eher eine Underground-Band, aber mit internationalem Bekanntheitsgrad, wenn man sich für diese Art von Musik interessiert», erklärt Phil. Rechtsradikale Songtexte habe er bei der Band zwar nicht registriert, dennoch sind ihm manche Kontroversen rund um die Band durchaus bekannt. Und: Das klare Statement dagegen fehle.

«Herr Morbid», Frontmann von «Forgotten Tomb», habe sich mehrmals zu heiklen Aussagen hinreissen lassen, erzählt Phil. Zulasten der Band gehe auch, dass sie Musik unter dem NSBM Label «Treblinka Productions» hat. Treblinka war ein nationalsozialistisches Vernichtungslager in Polen, in dem Schätzungen zufolge über eine Million Menschen ermordet wurden.

«Vielleicht wollen sie provokativ wirken. Wer sich allerdings nie klar von solch kontroversen Aussagen distanziert, muss damit leben, dass diese ewig an einem haften bleiben.» Um Politik gehe es nicht, betont Phil. «Es ist ein grenzwärtiger Fall. Die Band hat eine gewisse Verantwortung, dafür zu sorgen, dass sie nicht in eine Schublade gesteckt wird und sollte sich daher in einem öffentlichen Statement klar gegen NSBM stellen.»

Darf man also das «Forgotten Tomb»-Konzert nicht mit gutem Gewissen besuchen? «Im Endeffekt sollte es um die Musik gehen – wenn einem diese gefällt, darf man dieses Konzert absolut besuchen», meint Phil. Ob er auch selbst anwesend sein wird? «Nein.»

veröffentlicht: 16. Dezember 2022 19:14
aktualisiert: 19. Dezember 2022 14:49
Quelle: BärnToday

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