Kolonialer Ursprung?

Auch Berner Museum prüft Abschaffung des Begriffes «Mumie»

01.02.2023, 16:41 Uhr
· Online seit 01.02.2023, 16:00 Uhr
Die Sprachpolizei hat wieder zugeschlagen: Mehrere britische Museen bezeichnen die Überreste alter Ägypter nicht mehr als «Mumie», um den mehreren Tausend Jahre alten Körpern Respekt zu zollen. Im Bernischen Historischen Museum gibt es ähnliche Überlegungen.
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Die kritischen Diskurse rund um historische Sammlungen und Fragen nach dem Umgang mit Bezeichnungen seien «unabdingbar und ein wichtiger Bestandteil», sagt Ethnografie-Kuratorin Rahel Wille. Intern habe man deshalb ein Konzept zu einem sensiblen Umgang zur Lagerung menschlicher Überreste erarbeitet. «In Hinblick auf eine Neugestaltung der derzeitigen Dauerausstellung und einer Onlinestellung der Sammlungen werden sukzessive auch Begrifflichkeiten in der Bezeichnung und Dokumentation überarbeitet.»

Intensive Debatten um koloniale Verflechtungen 

Auf Nachfrage, ob eine Umbenennung des Begriffes «Mumie» bereits entscheiden sei, bleibt Wille schwammig. Die Diskussion werde intern im Haus sowie im Austausch mit dem Publikum offen geführt, sagt sie und verweist auf das «BHM Lab», das sich als interne Institution des Historischen Museums mit kolonialen Verflechtungen und Rassismus beschäftigt. «Eine genaue Terminierung für eine Neugestaltung gibt es noch nicht.»

Daher gelte vorerst: «Derzeit verwenden wir den Begriff ‹Mumie› noch in den Ausstellungen und in der internen Dokumentation.» Bislang habe es dazu auch keine Rückmeldungen von Besuchenden gegeben.

Kein Thema ist eine Umbenennung hingegen beim Antikenmuseum Basel. «Wir sprechen weiterhin von ‹Mumien› – zumal es im Alten Ägypten und aus religiösen Gründen auch Tiere häufig und gerne mumifiziert wurden.»

Kolonialismus und Verbindungen zu Horrorfilmen 

In Grossbritannien sprechen mehrere Museen anstelle von «Mumien» von «mumifizierten Personen» oder «mumifizierten Überbleibseln». Die Begründung: Bei den ausgestellten Mumien habe es sich um Menschen gehandelt. Deshalb wolle man sie auch als solche und nicht als Objekte bezeichnen, wie die britische Zeitung «Daily Mail» berichtet. Das Nationale Museum Schottlands in Edinburgh geht sogar einen Schritt weiter und will – wenn bekannt – den Namen der Person verwenden.

Auch der Ursprung des Wortes «Mumie» ist britischen Museen zufolge problematisch. Es soll nämlich auf das persische Wort «mumia» zurückgehen, das «Erdpech» bedeutet. Britische Kolonialherren, so berichtet es der «Stern», öffneten nämlich im 18. und 19. Jahrhundert die mumifizierten Überreste, um an die darin enthaltenen Chemikalien zur Herstellung von Medizin oder Farbe zukommen. Für das Greath North Museum in Newcastle sei dies somit eine Referenz auf die problematische Kolonialzeit.

Dazu komme, dass viele Menschen heutzutage «Mumie» mit unheimlichen Monstern oder einem Fluch in Verbindung binden. Zu diesem klischeebehafteten Bild beigetragen haben Romane oder Horrorfilme wie «Der Fluch der Mumie».

Dass das Wort «Mumie» aus der Kolonialzeit stamme, stellt der Basler Museumsdirektor Bignasca in Abrede. Es komme bereits im Lateinischen «mumia» vor, das sich aus den Persischen ableitet.

«Unverkrampftes Verhältnis» mit Toten im Alten Ägypten

Dennoch sei die Debatte um einen sensiblen Umgang keineswegs unwichtig, wie er betont. «Die Diskussion hinsichtlich Pro und Contra der heutigen Ausstellung von Mumien in Museen wird schon sehr lange geführt und hat auch bei der Neugestaltung der ägyptischen Sammlung im Antikenmuseum Basel im Jahr 2021 eine Rolle gespielt.»

Dafür, dass sich das Museum entschied, drei menschliche Mumien aus Ägypten auszustellen, sei die Geschichte des Herkunftslandes ausschlaggebend gewesen. «Bereits die alten Ägypter hatten ein unverkrampftes Verhältnis zu den Toten. Totenfeste wurden direkt am Grab abgehalten und dabei auch die unterirdischen Grabkammern mit den Mumien besucht», so Bignasca.

Zudem holten die alten Ägypter laut dem Museumsdirektor die Mumien an besonderen Festen auch aus dem Grab und sie in grossen Hallen an die Wand gestellt, so dass die Verstorbenen anwesend sein konnten.

veröffentlicht: 1. Februar 2023 16:00
aktualisiert: 1. Februar 2023 16:41
Quelle: BärnToday

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