Letztes Jahr ist das Argovia Fäscht nach Wohlen umgezogen. 15 Ausgaben hat das beliebte Fest auf dem Birrfeld verbracht und dort auch fast schon einen Kultstatus im Aargau erreicht. Doch während der pandemiebedingten Absage 2020 und 2021 hat sich die bedrohte Feldlerche auf dem partyfreien Birrfeld weiter ausgebreitet. Die Vögel sind Bodenbrüter und brauchen für einen stabilen Bestand zwei Bruten von Mitte April bis Mitte August. Daher ist 2023 das Argovia Fäscht nach Wohlen gezogen.
Auch wenn das Argovia Fäscht in diesem Jahr eine Pause einlegen wird, so kommt das Argovia Beizlifäscht am Samstag, den 22. Juni 2024, zurück aufs Birrfeld. Und das trotz der Feldlerche, die zu dem Zeitpunkt auf dem Gelände brütet. Im Gegensatz zum Argovia Fäscht werden aber am Beizlifäscht nicht 40'000 Besucher und Besucherinnen erwartet, sondern knapp 4000. Das bespielte Areal sei zehnmal kleiner als noch vor zwei Jahren, sagt Organisator Marco Kugel gegenüber ArgoviaToday. Für die Vogelschützerinnen und Vogelschützer von Birdlife und ProNatura kein gültiges Argument. Sie kritisieren, dass das Beizlifäscht auf dem Birrfeld stattfindet. Der GLP-Grossrat Matthias Betsche fordert gar eine Verschiebung der Veranstaltung und hat im Grossen Rat einen entsprechenden Vorstoss eingereicht. Von der Regierung will er Auskunft haben, ob das diesjährige Fest auf dem Birrfeld einer Bewilligungspflicht unterliegt und welche Behörden und kantonale Abteilungen darin involviert sind.
Runder Tisch mit allen Beteiligten
Daraufhin hat der Kanton zu einem Runden Tisch mit allen Beteiligten geladen, um die Thematik Feldlerche und das Argovia Beizlifäscht gemeinsam zu diskutieren und konstruktive Lösungen zu finden. Geladen waren neben dem Kanton und dem Organisator des Argovia Beizlifäschts auch Vertreter von ProNatura und Birdlife wie auch die jeweiligen Gemeindevertreter von Birrhard, Lupfig, Birr und Mülligen. Zusätzlich war auch eine Vertretung von Radio Argovia dabei. Das Aargauer Lokalradio ist Namenspartner des Festes.
Statt eines angeregten Austausches war der Runde Tisch jedoch nach wenigen Minuten beendet. Grund ist eine Verwaltungsbeschwerde gegen die Gemeinde Birrhard, die von den Vogelschützerinnen und -schützer eingereicht wurde. «Die Feldlerche brütet in der Gegend. Sie kommt immer weniger vor und daher braucht sie besonderen Schutz», so Matthias Betsche. «Der Bestand muss stabilisiert werden, vor allem auch, weil sie sehr störungsempfindlich ist.» «Das Birrfeld gilt als letzter grösserer Brutplatz der bedrohten Feldlerche im Kanton Aargau mit 24 bis 30 Brutpaaren. Der Bestand muss dringend stabilisiert werden, vor allem auch, weil sie sehr störungsempfindlich ist.» Dort also ein grosses Fest zu veranstalten, wo der Vogel brüte, gefährde ihren Fortbestand. Daher habe man sich für diesen Schritt entschieden. Per se richte sich die Beschwerde nicht gegen die Veranstaltung oder eine Aktion, sondern gegen den ausgewählten Standort und Zeitpunkt für die Durchführung des Anlasses, betont er weiter.
Auf Anfrage von ArgoviaToday will sich die Gemeinde Birrhard nicht zur Verwaltungsbeschwerde äussern. «Da es sich um ein laufendes Verfahren handelt, können wir derzeit keine Auskunft geben», erklärt Gemeindeammann Daniel Knappe. Stand jetzt stehe er aber hinter dem Entscheid des Gemeinderats, dass Argovia Beizlifäscht auf dem Birrfeld zu bewilligen. Auch der Kanton hält sich bedeckt und möchte wegen des laufenden Verfahrens keine Stellungnahme abgeben, wie Norbert Kräuchi, Abteilung Landschaft und Gewässer, sagt.
Kompromissbereitschaft vorhanden – aber nicht bei allen
Marco Kugel sagt im Gespräch mit ArgoviaToday, dass er aufgrund der Diskussionen rund um die Feldlerche schon etwaige Anpassungen vollzogen habe: «Die ganze Verkehrsplanung und das Parkkonzept wurden angepasst und Gäste parkieren nun nördlich vom Flugplatz.» Darüber hinaus werden ÖV-Anreisende zum Bahnhof Lupfig geführt und natürlich werde auch immer wieder an die Eigenverantwortung der Festival-Besuchende appelliert. Zudem habe er angeboten, das Beizlifäscht in den Norden des Birrfeldes zu verlegen. «Dort gibt es ein Polofeld und Kies wird in der Nähe abgebaut. Die Feldlerche brütet in dieser Gegend nicht», so Kugel. Mit dieser Option kann sich Betsche nicht wirklich anfreunden. «Es geht darum, den Vogel zu schützen. Die Feldlerche ist in ihren Fortbestand gefährdet. Darum ist es wichtig, solche Festivitäten so zu planen und zu organisieren, dass die Brut nicht gestört wird.» Gemäss Veranstalter sollen mehrere Tausend Menschen kommen, es wird Food-Stände, Bars, Musik und Schiessbuden geben, wie Betsche anführt. Das habe grossflächige Auswirkungen und würde das Brutgebiet nachhaltig empfindlich stören, zumal die Veranstaltung nach wie vor auf dem Birrfeld mitten in der Brutzeit stattfinden würde. «Natürlich kann so eine Verschiebung vielleicht ein bisschen helfen, aber eben bei Weitem nicht genügend und nicht für alle Bruten.»
Und welchen Einfluss hat das Kieswerk Mülligen in unmittelbarer Nähe auf den Vogel? Wie die Karte des Kantons zeigt, nistet in der Umgebung des Kieswerks keine Feldlerche. «Die Abbaumassnahmen schreiten stetig voran und verändern sich im Laufe der Zeit. Das kann natürlich zu Verschiebungen führen, zeigt aber auch, dass man nicht noch mehr Belastungen an der Stelle braucht», sagt Betsche. Kugel ist ebenfalls der Meinung, dass es dort in den nächsten Jahren eine Kiesgrube geben wird. «Es wäre natürlich eine Möglichkeit, den Feldlerchen-Perimeter dementsprechend anzupassen und die Kiesgrube wie auch das Polofeld künftig herauszunehmen. Aber das dauert ewig, bis das entschieden ist.»
Wie geht es jetzt weiter?
Für Kugel eine schwierige Situation – besonders, weil ihm das Nicht-Entgegenkommen von Betsche auf dem Birrfeld die Hände bindet. «Wenn wir dann in den Norden ziehen, läuft die Gemeinde Mülligen Gefahr, eine Verwaltungsbeschwerde zu erhalten und das will ich natürlich auch nicht. Ich muss keine weitere Gemeinde mit hereinziehen, wenn es zu nichts Konkretem führt», erklärt der Argovia-Beizlifäscht-Organisator. Für Betsche ist indes klar, dass die Veranstalter andere Standorte im Aargau oder Veranstaltungen ausserhalb der Brutzeit anschauen müssen. «Für uns ist wichtig, dass sich die Feldlerchenbrut auf dem Birrfeld nicht weiter verschlechtert. Sie muss sich verbessern und wenn der Fortbestand der Feldlerche auf dem Birrfeld stattdessen noch weiter gefährdet wird, schreiten wir ein und prüfen die Möglichkeiten.»
Daher bleibt Kugel nun erst mal nur, Geduld zu bewahren: «Wir sind so verblieben, dass wir den 5. Mai 2024 abwarten werden und dann mit den jeweiligen Gemeinden schauen, wie es weitergeht.» Knappe geht davon aus, dass der Entscheid noch vor dem Beizlifäscht 2024 fallen wird. Je nachdem wie dieser ausfällt, hat das auch Auswirkungen auf die Zukunft des Argovia Fäschts. «Wir prüfen andere Optionen, aber bisher ist nichts spruchreif», erklärt Kugel. Auf die Frage, ob er damit gerechnet hat, dass die Feldlerche zu einem Politikum werden könnte, sagt er: «Ich habe mir schon gedacht, dass es Thema wird, aber unterschätzt, wie gross es werden kann.»