Festival-Direktor

«Ohne Unterstützung aus der Region würde das Argovia Fäscht nicht funktionieren»

· Online seit 30.05.2022, 11:50 Uhr
Am nächsten Freitag findet endlich wieder ein Argovia Fäscht statt. Festival-Leiter Marco Kugel verrät im Interview, was dieses Jahr neu ist, welche Wünsche die Stars haben, und blickt auf seine 14 Jahre im Amt zurück.
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Am kommenden Wochenende ist es wieder so weit: Nachdem das Argovia Fäscht zwei Mal pandemiebedingt hatte abgesagt werden müssen, werden vom 3. bis 5. Juni um die 40'000 Besucherinnen und Besucher auf dem Birrfeld erwartet. Wir treffen Festival-Direktor Marco Kugel eine Woche vor dem Start auf dem Festgelände, wo er sein temporäres Büro bezogen hat.

Wie lange sind Ihre Tage, so kurz bevor das Argovia Fäscht startet?

Marco Kugel: Die Woche vor dem Start ist sehr intensiv, es hat jeden Tag mehr Leute auf Platz. Ich bin meistens um 8  Uhr hier, Abends kann es auch mal 22  Uhr werden. Deshalb habe ich hier auch ein kleines Container-Büro, eine Kaffeemaschine, und der Grill leistet auch wichtige Dienste. Ich bin über vier Wochen hier auf dem Festgelände, da lohnt sich ein Büro schon.

Zweimal musste der Anlass wegen Corona verschoben werden. Konnten Sie die «alten» Pläne aus der Schublade nehmen oder haben Sie das Fest neu geplant?

Wir haben die Zeit genutzt, um unser ganzes Konzept zu überdenken. Wir haben uns die Frage gestellt, wie wir das Argovia Fäscht machen würden, wenn wir nochmals ganz von vorne anfangen müssten. Wir sind aber zum Schluss gekommen, dass sich 70 Prozent mit dem decken, was wir schon hatten. Der Event hat sich ja über die Jahre entwickelt, wir haben immer wieder Verbesserungen umgesetzt. Trotzdem versuchen wir uns in diesem Jahr an einigen Neuerungen.

Was wird anders?

Die grösste Veränderung ist sicher die Verlängerung auf drei Tage – wir haben jetzt auch noch am Sonntag Programm. Wir starten am Freitag mit dem Beizli-Fäscht, am Samstag und Sonntag sind dann die Konzerte. Für die Besucherinnen und Besucher ist wichtig zu wissen, dass es in diesem Jahr keine Abendkasse mehr gibt. Tickets müssen im Vorverkauf erstanden werden, obwohl das auch noch wenige Stunden vor Türöffnung möglich ist. Zudem ist in diesem Jahr alles bargeldlos.

Gibt es eine Änderung, auf die Sie sich besonders freuen?

Ja, es gibt eine neue Bühne.

Was hat es damit auf sich?

Die Bühne bietet sehr viel, sie wurde von Profis entworfen und verwirklicht. Die Künstlerinnen und Künstler haben sehr viele Möglichkeiten, eine gute Show zu bieten, sei es mit Licht, der LED-Wand, auch Pyrotechnik kann eingesetzt werden. Von einem Ende zum anderen sind es ganze 64 Meter. Stefanie Kloss, die Sängerin von Silbermond, wird diese Möglichkeiten sicher voll ausnutzen. Ich hoffe, das machen die anderen Bands auch.

Apropos Bands: Wie wählen Sie eigentlich aus, wer auf dem Birrfeld auftritt?

Das Booking mache ich zusammen mit Andrea Moser, sie ist sogar noch länger im Geschäft als ich. Wir kennen unser Publikum. Darum fragen wir uns immer zuerst: Wer passt zu uns? Die zweite Frage ist dann: Wen können wir bezahlen? Aktuelle Hits aus der A-Liga können wir uns meistens nicht leisten – häufig sind die dann ein Jahr später bei uns.

Es ist eines der ersten Open-Air-Konzerte im Jahr. Was bedeutet das für die Bands?

Die meisten freuen sich sehr auf den Auftritt. Andererseits sind sie dann noch nicht so routiniert wie gegen Ende der Saison, sie wissen zum Beispiel noch nicht genau, wie lange der Auf- und Abbau dauert.

Holen Sie auch Künstlerinnen und Künstler auf die Bühne, von denen Sie das Gefühl haben, dass der grosse Hit noch kommt?

Ja, durch die Arbeit beim Radio wissen wir natürlich, wer ein neues Album plant, und versuchen auch auf Künstler zu setzen, von denen wir das Gefühl haben, dass sie bald durchstarten. In diesem Jahr haben wir Purple Disco Machine früh gebucht, weil sein Name zwar noch nicht so bekannt ist, einige seiner Songs aber recht oft im Radio gespielt werden.

Am Samstag spielen die No Angels.

Genau. Die ältere Generation wird diese Band noch aus früheren Zeiten kennen, und ich denke, auch den Jüngeren ist sie ein Begriff.

Wenn Sie keine Rücksicht aufs Budget nehmen müssten, wen würden Sie buchen?

Fürs Argovia Fäscht würde ich mir Sido wünschen, der würde sicher gut funktionieren. Wir brauchen ja auch Künstler, die auf der Bühne abgehen, ein paar schöne Lieder reichen da nicht. Wenn es nach meinem persönlichen Geschmack ginge, würde ich mir einen Auftritt der Toten Hosen wünschen – auch die würden hier sicherlich einen grossartigen Auftritt hinlegen. Ein bisschen träumen darf man ja.

Sie müssen auch dafür sorgen, dass die Sonderwünsche der Musikerinnen und Musiker erfüllt werden. Ist das anspruchsvoll?

Viele haben das Gefühl, es gehe da um teuren Champagner und Schnaps. Das ist aber, wenn es denn gewünscht ist, gar nicht so schwer zu besorgen. Wir hatten aber auch schon den Wunsch nach einem bestimmten Honig. Oder dann gibt es natürlich Leute, die vegetarisch oder vegan essen, oder es wird mitten in der Nacht noch ein warmes Menü gewünscht. Als ich zum ersten Mal Festival-Direktor war, war ich noch etwas nervös bezüglich dieser Sonderwünsche. In der Zwischenzeit weiss ich, wir finden immer einen Weg.

Wissen das die Stars zu schätzen?

Ja, wir sind bekannt für einen schönen Backstage-Bereich, es sind auch immer viele Plattenfirmen dort, man trifft sich und knüpft Kontakte. Ich denke, die Künstlerinnen und Künstler fühlen sich sehr wohl bei uns, besonders von den einheimischen bekommen wir viel positives Feedback.

Was haben Sie sonst noch für Aufgaben?

Zu viele (lacht). Ich habe die Gesamtverantwortung, verkaufe die Sponsorenpakete, bin beteiligt an den Aufgabenbereichen Bewilligungen, Booking, Infrastruktur, Sicherheit, Verkehr und Sanität.

Da sind Sie als Festival-Direktor überall eingebunden?

Ja, wir sind ein kleines Team von vier Leuten. Am Donnerstagabend habe ich angezeichnet, wo die Gitter hinmüssen, am Freitagmorgen habe ich noch Bambus-Schalen besorgt. Wobei ich sagen muss, bei der Grösse, die das Argovia Fäscht mittlerweile erreicht hat, stossen wir mit dieser schmalen Organisation langsam an unsere Grenzen.

Und in diesem Jahr gibt es wohl – weil das Fest einen Tag länger dauert – noch mehr zu tun.

Ja, bisher war am Freitag das Beizli-Fäscht, am Samstag folgten die Konzerte, und danach wurde aufgeräumt. Jetzt müssen wir über Nacht alles putzen, und um 9 Uhr stehen dann die neuen Bands auf Platz, wollen Frühstück und fragen, wann es mit dem Soundcheck losgeht.

Haben Sie während der drei Tage auch mal Zeit für sich, oder rennen Sie von einer Baustelle zur nächsten?

Am Samstag, wenn die erste Band auf der Bühne steht, ist der grösste Teil geschafft. Ich nehme mir jedes Jahr die Zeit, um einmal auf die Bühne zu gehen. Dann stehe ich in einer Ecke, schaue auf die vielen Zuschauer und geniesse die sensationelle Stimmung. Aber es sind kurze Momente.

Das Argovia Fäscht ist immer grösser geworden, jetzt dauert es ganze drei Tage. Trotzdem gibt es – anders als an anderen Open Airs – keine Möglichkeit, zu campieren.

Richtig, das ist eine Auflage der Gemeinde. Eine Möglichkeit zum Campieren würde auch mehr Personal, mehr Toiletten und mehr Verpflegungsmöglichkeiten und damit höhere Kosten bedeuten. Zudem sind wir etwas zwischen Volksfest und Open Air – das Argovia Fäscht hat einen eigenen Charakter. Dafür haben wir den Nachteil, dass wir nicht als Festival wahrgenommen werden und manchmal etwas vergessen gehen, zum Beispiel in Festivalführern.

Sie sind seit 14 Jahren Festival-Direktor. Wie hat sich das Argovia Fäscht verändert?

Es ist von Jahr zu Jahr gewachsen und vieles ist professioneller geworden. Ich erinnere mich noch, dass früher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Radio Argovia selber die Duschtücher aus den Künstlergarderoben zusammengesucht und in die Wäscherei gebracht haben, oder dass Moderatoren im VIP-Zelt hinter der Bar gearbeitet und Champagner ausgeschenkt haben. Das wäre heute nicht mehr denkbar.

Was hat sich in der Werbung verändert?

Früher reichte es, wenn wir im Radio sagten, wann das Argovia Fäscht stattfindet. Heute machen wir auch Plakatwerbung Richtung Zürich und Luzern und müssen zur richtigen Zeit unsere Zielgruppe auf Social Media erreichen. Am Anlass selber ist ein ganzes Team im Einsatz, das die entsprechenden Kanäle bespielt, Fotos und Videos liefert und live berichtet.

Ihre langjährige Erfahrung macht die Organisation sicherlich einfacher.

Ja, es hilft, dass ich viele der beteiligten Leute schon lange kenne. Ohne die Unterstützung aus der Region würde das nicht funktionieren. Zum Beispiel die Landwirte, die ihr Land für die Parkplätze zur Verfügung stellen.

Warum ist der Aufwand so gross? Das Konzept ist ja jedes Jahr dasselbe.

Es gibt aber auch immer wieder Änderungen. Gerade bei den erwähnten Parkplätzen: Sie sind immer wieder an einem anderen Ort, weil wir die Flächen nutzen müssen, auf denen gerade nichts angebaut wird, damit ändert sich das ganze Verkehrskonzept. Oder, um ein aktuelles Beispiel zu nennen, mussten wir in diesem Jahr Vorkehrungen treffen, dass sich die Feldlerche nicht gestört fühlt – sie ist Vogel des Jahres und steht unter Schutz. Weil sie hier in der Nähe nistet, mussten wir zusammen mit dem Kanton anschauen, wie wir vorgehen müssen.

Spürt man in diesem Jahr, nach der Coronapause, auch eine Veränderung beim Publikum?

Ich habe das Gefühl, in diesem Jahr zieht der Ticketverkauf noch etwas später an. Die Leute entscheiden noch spontaner, was sie unternehmen.

Wie laufen die Vorbereitungen bisher?

Sehr gut, wir sind etwa zwei Tage voraus, weil wir Glück mit dem Wetter hatten. Wenn es regnet und die Lastwagen nicht auf das Gelände fahren können, dauert es viel länger.

Woran wird momentan gearbeitet?

Es sind alleine von uns 24 Leute hier, die Lastwagen abladen, Gitter stellen und Strom- und Wasserleitungen ziehen. Weil in diesem Jahr alles bargeldlos läuft, müssen wir sicherstellen, dass Strom und Internet an den entsprechenden Orten verfügbar sind. In den kommenden Tagen werden jetzt noch Tonnen an Material aufs Festgelände gebracht – die Kühlschränke gefüllt, die Bühnen mit Technik ausgerüstet und so weiter.

Das Argovia Fäscht startete als kleines Geburtstagsfest des Senders. Mittlerweile ist es ein Riesenevent. Wie ist das für die Mitarbeitenden?

Auch wenn es nicht mehr die gleiche Geburtstagsparty ist wie einst, das Argovia Fäscht gehört einfach dazu, besonders für die vielen langjährigen Mitarbeitenden. Für die Moderatorinnen und Moderatoren ist es ein ganz besonderes Highlight, wenn wir ab Donnerstag vom Festgelände zu senden beginnen. Der Ausblick aus dem temporären Studio ist wunderbar. Aber natürlich hat sich auch in diesem Bereich einiges verändert – unsere Familie ist grösser geworden, wir gehören jetzt zu CH Media.

Wann beginnen die Arbeiten für das nächste Argovia Fäscht?

Wir haben bereits zwei Anfragen an Bands verschickt. Also beginnt die Arbeit am nächsten Event bereits, bevor der alte abgeschlossen ist. Aber so richtig los gehts dann im Oktober.

(Aargauer Zeitung/Dominic Kobelt)

veröffentlicht: 30. Mai 2022 11:50
aktualisiert: 30. Mai 2022 11:50
Quelle: Aargauer Zeitung

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