St.Gallen

Über 9000 Zertifikate gefälscht: Zehn Personen festgenommen

27.01.2022, 09:07 Uhr
· Online seit 27.01.2022, 09:05 Uhr
Im Kanton St.Gallen wurde im vergangenen Dezember der schweizweit bisher grösste Zertifikatsbetrug aufgedeckt. Mehrere tausend Covid-Zertifikate haben Betrüger illegal ausgestellt. Nun konnten zehn Personen festgenommen werden.
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Anfangs Dezember hat das Gesundheitsdepartement des Kantons St.Gallen einen Hinweis über illegal ausgestellte Impfzertifikate erhalten. Nach eigenen Abklärungen reichte das Departement bei der Staatsanwaltschaft Strafanzeige gegen zwei Personen ein. Parallel dazu erhielt auch die Kantonspolizei St.Gallen Hinweise über illegal hergestellte Impfzertifikate. Die Staatsanwaltschaft eröffnete darauf in Zusammenarbeit mit der Kantonspolizei mehrere Strafuntersuchungen. Während den Untersuchungen konnten mehrere Personen identifiziert werden, die mutmasslich in den Handel mit illegal hergestellten COVID-19-Zertifikaten involviert sind.

Betrüger im Alter zwischen 20 und 30 Jahre

Zehn Personen wurden bislang festgenommen. Es handelt sich dabei um vier Schweizer, drei Serben, einen Iraker, eine Serbin und eine Kroatin. Alle sind zwischen 20 und 30 Jahre alt. Gegen sieben Personen hat die Staatsanwaltschaft Antrag auf Untersuchungshaft gestellt, der in allen Fällen bewilligt wurde. Aktuell befinden sich noch drei Personen in Untersuchungshaft. Im Weiteren kam es zu mehr als einem Dutzend Hausdurchsuchungen.

Bei einzelnen beschuldigten Personen handelt es sich um Mitarbeitende verschiedener Testcenter, welche im Privatbereich ihre dienstlichen Accounts für die Erstellung von Covid-Zertifikaten missbraucht haben sollen. Konkret sollen diese Mitarbeitenden gegen Geld anderen Beschuldigten Zugang zu ihren Accounts gewährt haben, welche damit ihrerseits missbräuchlich Zertifikate generierten. Insgesamt haben die kantonalen Strafverfolgungsbehörden mittlerweile Kenntnis von über 9000 illegal hergestellten Zertifikaten. Darunter sind rund 8000 Impfzertifikate, beim Rest handelt es sich um Genesenen- und vereinzelte Testzertifikate. Die Endabnehmenden bezahlten für die illegalen Impf- und Genesenenzertifikate Beträge zwischen 300 und 800 Franken, wie die Staatsanwaltschaft mitteilt.

Kanton St.Gallen hat Bund auf Problematik hingewiesen

Die Zertifikate werden auf der Webapplikation des Bundesamts für Informatik (BIT) erstellt. Der grösste Teil der Impfzertifikate im Kanton St.Gallen wird automatisch generiert. Nachdem eine Impfung im IT-Tool www.wir-impfen.ch bestätigt ist, werden die nötigen Daten direkt ans BIT weitergeleitet. Dieses generiert anschliessend das Impfzertifikat. Im Kanton St.Gallen wurden rund 490'000 Impfzertifikate (inkl. neue Zertifikate für Booster-Impfungen) über diesen Prozess automatisch generiert. Zertifikate – also auch Impfzertifikate – können aber auch manuell über eine Web-Plattform beantragt werden. Wer Zugang zu diesem System hat, kann verschiedene Zertifikatstypen ausstellen. So haben beispielsweise auch Personen in Teststellen die Möglichkeit, Impfzertifikate auszustellen – obwohl sie gar keine Impfungen verabreichen.

Der Kanton St.Gallen sowie weitere Kantone haben das BIT von Beginn der Zertifikatserstellung an auf diese Berechtigungsproblematik hingewiesen. Weiter monierten die Kantone, dass sie die Aktivitäten der Ausstellerinnen und -aussteller von Zertifikaten nicht selbstständig und einfach überprüfen können.

Kantonspolizei hat Sonderkommission gebildet

Die Staatsanwaltschaft und die Kantonspolizei arbeiten mit Hochdruck an den Untersuchungen. Fünf Staatsanwältinnen und Staatsanwälte führen Strafverfahren. Die Kantonspolizei hat eine Sonderkommission gebildet und steht mit mehr als zehn Mitarbeitenden im Einsatz. Dabei wird vor allem die Auswertung diverser Datenträger noch längere Zeit in Anspruch nehmen. Ausserdem stehen weitere Einvernahmen der verschiedenen Beteiligten an. Auf Grund der umfangreichen Untersuchungen kann derzeit kein Datum für den Abschluss des Verfahrenskomplexes genannt werden.

Betrüger erwartet eine Verfolgung im Strafbefehlsverfahren

Sämtliche Beteiligten (Hersteller, Mittäter, Endabnehmer) trifft der Vorwurf der Urkundenfälschung (Art. 251 StGB) und allenfalls weiterer Delikte. Die Hersteller der illegalen Zertifikate müssen mit einer Anklage beim zuständigen Gericht rechnen. Das Strafmass hängt dabei von den konkreten Vorwürfen und den individuellen Verhältnissen der Beschuldigten ab. Kriminell erlangte Gewinne sollen eingezogen werden. Die Abnehmenden der illegalen Zertifikate erwartet eine Verfolgung im Strafbefehlsverfahren. Bislang hat sich eine Handvoll Abnehmerinnen und Abnehmer zu einer Selbstanzeige entschlossen. Sie können gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung mit einer deutlichen Strafreduktion rechnen.

Für sämtliche beschuldigten Personen gilt die Unschuldsvermutung.

(pd/red.)

veröffentlicht: 27. Januar 2022 09:05
aktualisiert: 27. Januar 2022 09:07
Quelle: FM1Today

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