Bisherige Therapien seien nur bedingt wirkungsvoll, da das konkrete Wissen neurobiologischer Abläufe bei Angstzuständen fehle, heisst es in einer Mitteilung der Universität Bern vom Freitag. Dass die kleine doppelseitige Hirnregion Amygdala - auch Mandelkern genannt - als Drehscheibe fungiert zwischen der Empfindung von Angst und der Reaktion darauf, wusste man schon. Doch sie kann mehr.
Eine Gruppe um die Professoren Stéphane Ciocchi von der Universität Bern und Andreas Lüthi vom Friedrich-Miescher-Institut in Basel hat nun entdeckt, dass die Amygdala eine viel aktivere Rolle spielt als bisher angenommen: Sie organisiert nicht einfach nur die Aufgabenverteilung, sondern enthält selber Mikro-Schaltkreise, welche die Blockierung von Furchtreaktionen regulieren.
Angst-Erinnerungen ausser Kontrolle
Im Mausmodell wurden zunächst verschiedene Zelltypen in der zentralen Amygdala identifiziert, die einen Einfluss auf das Verhalten der Tiere hatten. Darauf wurden mit verschiedenen Methoden spezifische Nervenzellen ausgeschaltet, worauf die Tiere in einen krankhaft ängstlichen Zustand verfielen. Die Reaktion sei überraschend heftig gewesen, sagt Ciocchi, Assistenzprofessor am Institut für Physiologie der Universität Bern.
Beim Menschen könnte laut den Forschern eine Dysfunktion dieses Systems zur gestörten Blockierung von Angst-Erinnerungen beitragen, unter der Patientinnen und Patienten mit Angst- und Trauma-Störungen leiden.
Um die Beobachtungen in wirksame Therapien umzusetzen, würden aber weitere Studien benötigt, heisst es in der Mitteilung. Es müsse erst noch untersucht werden, ob die im einfachen Tiermodell gewonnenen Erkenntnisse sich auf menschliche Angststörungen übertragen liessen.
Die Ergebnisse der Studie wurden in der Fachzeitschrift «Nature Communications» publiziert.
*Fachpublikationslink https://doi.org/10.1038/s41467-021-24068-x