Katzenelend

Bund bezeichnet Katzen als Schädlinge und bekommt Schelte

19.10.2022, 13:52 Uhr
· Online seit 19.10.2022, 09:49 Uhr
In einem Statement setzte das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen Katzen mit Schädlingen gleich. Für Tierschützerin Esther Geisser hat das Amt damit eine Grenze überschritten.
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Ungeziefer wie Schaben, Flöhe oder Käfer sind als Schädlinge bekannt. Der Bund ordnete aber auch das beliebteste Haustier der Schweizerinnen und Schweizer dieser Kategorie zu: die Katze.

Als Tierschützer im August wegen der hunderttausenden herrenlosen Katzen in der Schweiz Alarm schlugen, äusserte sich das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen wie folgt: Das Problem der verwilderten Katzen solle – wie auch bei anderen Schädlingen – primär so angegangen werden, dass es keine Gelände habe, auf denen sich Katzenkolonien etablieren könnten. Die erwähnte Passage erschien in einem Artikel der Today-Zentralredaktion.

«Fragwürdig und unprofessionell»

Für Esther Geisser, Präsidentin von Network for Animal Protection (Netap), hat der Bund mit dem Vergleich eine Grenze überschritten. «Es ist fragwürdig und unprofessionell, dass der Bund Katzen als Schädlinge bezeichnet, nachdem er jahrelang nichts gegen das Katzenelend unternommen hat», empört sie sich. Wenn eine Behörde soweit gehe, Haustiere als Schädlinge zu bezeichnen, spiele dies in die Hände aller Menschen, die der Meinung seien, Katzen sollten mit Tötungsaktionen zum Verschwinden gebracht werden.

In einem E-Mail bat Geisser das BLV um Stellungnahme. «Es handelt sich hier um einen unglücklichen Vergleich, den wir in Zukunft nicht mehr machen werden», antwortete die Behörde in einer Nachricht, die der Today-Zentralredaktion vorliegt. Doch für Geisser gründet das Problem tiefer. «Die Ausrede des unglücklichen Vergleichs reicht mir nicht.»

Tiere würden entwertet

Ihrem Unmut machte Geisser in einem Auskunftsbegehren an das BLV Luft. «Da die Schädlingsbekämpfung oft mit Vergiftungsaktionen erfolgt, fragen wir das BLV deshalb ausdrücklich an, ob es Vergiftungsaktionen bzw. andere Tötungsmassnahmen zur Populationsregulierung bei herrenlosen Katzen gutheissen würde», schrieb Geisser im Brief, den Netap auf der eigenen Website veröffentlichte. Zudem machte sie darauf aufmerksam, dass solche Aussagen auch vorhandene Aggressionen in der Bevölkerung gegenüber Katzen förderten und diese Tiere zusätzlich entwerteten.

Geisser forderte das BLV auf, Netap und die Schweizer Bevölkerung zu informieren, was «die viel zitierten Schritte» sein würden, die das BLV gegen das Katzenelend unternehmen wolle, und wann diese Massnahmen in welcher Form erfolgen sollten.

Petition und Vorstösse für Kastrationspflicht

Netap kämpft seit mehreren Jahren für eine Kastrationspflicht für Freigängerkatzen. Eine Petition und politische Vorstösse blieben erfolglos. Im Brief prangert Geisser an, dass sich die Ablehnungsbegründung «jedesmal auf die Einschätzung des Bundesamts für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) stützt». Inzwischen habe das BLV öffentlich bestätigt, dass das bisher angeführte Argument, eine Kastrationspflicht würde zu hohe Kosten für den Staat verursachen, lediglich auf blossen Vermutungen beruhe.

Der Bund antwortete darauf, dass allfällige Vorschriften bezüglich einer Kastrationspflicht nebst den Tierschutzanliegen auch die Anliegen der Katzenhalterinnen und -halter sowie der Vollzugsbehörden berücksichtigen müssten. Zudem müssten neue Vorschriften des Tierschutzrechts in dessen Gesamtkontext verhältnismässig, umsetzbar und zumutbar sein. Er kündigte an, im Rahmen von Vernehmlassungen konkrete Vorschläge zur Stellungnahme zu unterbreiten. Bis dahin könne das BLV aber keine weiteren Auskünfte erteilen.

Netap wirft Bund Untätigkeit vor

Die Antwort stösst Geisser sauer auf. «Wann solche Vernehmlassungen stattfinden werden, bleibt weiterhin unklar», sagt sie. Es mache sie insbesondere wütend, dass der Bund die verantwortungslosen Tierhalter derart schütze. «Jede herrenlose Katze auf der Strasse hat ihren Ursprung bei einem Halter», betont sie. Der Bund foutiere sich um eine Lösung des Katzenelends. «Dabei würde eine Lösung auf dem Silbertablett serviert, wenn man alle Halter zur Kastration verpflichten würde.»

Das BLV verweist auf Anfrage der Today-Zentralredaktion auf die Antworten, die es Esther Geisser geschickt hat. Zum Vorwurf, sich um eine Kastrationspflicht zu foutieren, nimmt das Amt keine Stellung. Das BLV sei der Meinung, die Fragen bereits beantwortet zu haben, schreibt eine Mediensprecherin.

veröffentlicht: 19. Oktober 2022 09:49
aktualisiert: 19. Oktober 2022 13:52
Quelle: Today-Zentralredaktion

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