Hartmann schaffte die Wahl mit 223 von 229 gültigen Stimmen, Ryter mit 161 von 229 gültigen Stimmen. Sie setzten sich gegen 20 weitere Bewerbungen durch. Hartmann ersetzt mit Andreas Zünd (SP) einen weiteren Aargauer. Dieser wechselt zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Stephan Hartmann ist in Kölliken aufgewachsen, studierte an den Universitäten Fribourg, Genf sowie Michigan und wohnt in Suhr. Er ist seit dem 1. Januar 2011 als Oberrichter des Kantons Aargau im Amt. Zudem ist er Vizepräsident der Aargauer Anwaltskommission und als Lehrbeauftragter für Privatrecht an der Universität Luzern tätig.
Verschiebungsantrag abgelehnt
Marianne Ryter folgt auf Hansjörg Seiler (SVP). Seiler tritt Ende Jahr aus Altersgründen zurück. Ihre Wahl verlief nicht ohne Nebengeräusche. Denn während Hartmann von allen Fraktionen unterstützt wurde, wollte die SVP Ryter, die derzeitige Präsidentin des Bundesverwaltungsgerichts, wegen im Raum stehender Vorwürfe noch nicht wählen. Den Antrag der SVP, Ryters Wahl zu verschieben und nur Hartmann zu wählen, lehnte die Bundesversammlung mit 180 zu 55 Stimmen ab. Die SVP empfahl danach neben Hartmann an Stelle von Ryter den Sozialdemokraten Markus Berger zur Wahl. Er erhielt 58 Stimmen.
Ryter habe Kenntnis erhalten von einem «Schattendossier» über einen Richter des Bundesverwaltungsgerichts, das ausserhalb der Personalakten angelegt worden sei, sagte Pirmin Schwander (SVP/SZ) zum Verschiebungsantrag. Indem sie die nötigen Schritte zur Klärung nicht eingeleitet habe, habe sie ihre Fürsorgepflicht verletzt.
Als politische Aktion gegen eine SP-Vertreterin wolle die SVP den Antrag nicht verstanden wissen, fügte SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi (ZG) an. Sollten sich die Vorwürfe gegen Ryter nicht erhärten, werde die SVP sie im Herbst wählen.
Kritik an die SVP
Die anderen Fraktionen kritisierten das Vorgehen der SVP. Matthias Aebischer (SP/BE) nannte das Verhalten der grössten Fraktion mit Verweis auf die Gewaltentrennung «einer Demokratie unwürdig». Einmal mehr werde versucht, über das übliche Mass hinaus Einfluss zu nehmen auf eine Richterwahl, konstatierte Lorenz Hess (Mitte/BE).
Die Gerichtskommission (GK) habe die Geschäftsprüfungskommissionen (GPK) über die Vorwürfe informiert, sagte Sibel Arslan (Grüne/BS) - und verwahrte sich gegen eine Vorverurteilung. Das Parlament sei in der Pflicht, mit der angesichts der Umstände erforderlichen Würde zu handeln, mahnte Christian Lüscher (FDP/GE).
Beat Flach (GLP/AG) betonte die Wichtigkeit des Parteiproporz an den Gerichten. So kenne man die Werte der Richterinnen und Richter. Wie er waren auch andere Votanten der Ansicht, dass die Umstände dieser Richterwahl Wasser auf die Mühle der Justizinitiative sei. Diese verlangt, das Bundesrichterinnen und -richter per Los bestimmt werden. Bundesrat und Parlament lehnen die Initiative ab.
Die Gerichtskommission sei von einem Anwalt eines Richters am Bundesverwaltungsgericht per Brief über das «Schattendossier» informiert worden, berichtete Ständerat und GK-Präsident Andrea Caroni (FDP/AR). Er sprach von einem «abteilungsinternen Streit zwischen einem Richter und seinen Abteilungspräsidentinnen».
Der betroffene Richter sei Gegenstand eines Verfahrens «auf Stufe Abteilung» und eines weiteren Verfahrens zum Vorwurf, er habe einen Spruchkörper verändert, so Caroni. Dieses liege nun bei der GPK.
(sda / red)