Bei Andrea herrscht verkehrte Welt. Mit Mitte 40 leisten sich viele Zürcherinnen und Zürcher eine grössere Wohnung oder gar ein Haus. Auch stehen sie mitten im Familienleben. Die 46-jährige Andrea hingegen wohnt in Horgen in einer 1-Zimmer-Wohnung – alleine. «Zuvor habe ich mit meiner Familie in einer 5,5-Zimmer-Wohnung mit Garten gelebt», sagte sie in der Sendung «Mis Dihei».
Der radikale Wechsel löste bei Leserinnen und Lesern viele Fragezeichen aus. «Okeeeee», meinte «elidemi88» dazu. «Sieht eher nach Keller als nach Wohnung aus. Warum ist sie weg von der 5.5?», schrieb «bolly». «bentley10038» interessierte sich für die «tatsächlichen Beweggründe», dass Andrea diesen Schritt ging.
«Fühlte mich von all der Ware erdrückt»
Andrea hat ZüriToday noch einen genaueren Einblick in ihr Leben gegeben. Bis im September wohnte sie 19 Jahre in einer Maisonette-Wohnung in Horgen. Zum Umzug kam es, weil sie sich von ihrem Mann trennte. Wer sie in der Mini-Wohnung bemitleidet, liegt falsch. Sie hätte auch in eine grössere Wohnung ziehen können, sagt Andrea. Doch dies sei absolut nicht ihr Wunsch gewesen.
«In den letzten fünf bis zehn Jahren fühlte ich mich von all der Ware, die man hat, immer mehr erdrückt», erzählt Andrea, die als Pflegefachfrau und Ordnungscoach arbeitet. Auch sehnte sie sich nach einem Leben auf kleiner Fläche, weil ihr die Wohnung viel Zeit raubte.
«Als ich noch in der Maisonette-Wohnung wohnte, war ich immer entweder am Arbeiten oder zu Hause am Haushalten.» Nun habe sie die Wohnung in einem Zug gesaugt, müsse nur noch vier kleine Fenster und nur noch ein WC putzen. «Ich bin so schnell fertig mit allem und habe das Gefühl, dass ich dadurch viel mehr Freizeit und Lebensqualität habe», schwärmt die Horgnerin.
«Beneidete Tochter um ihre eigene Wohnung»
An regnerischen Tagen kann gerade Menschen in kleineren Wohnungen die Decke auf den Kopf fallen. Dieses Gefühl kenne sie nicht, sagt Andrea. «Ich finde Langeweile schön. Es ist schön, wenn man weilen kann.» Auch mit Einsamkeit kämpft die Mutter zweier erwachsener Kinder nicht. «Ich war schon immer ein Mensch, der unheimlich gerne alleine ist.»
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Das Alleinsein kam bei Andrea vor ihrem Umzug zu kurz. «Ich wohnte vorher nie alleine», sagt sie. Wenige Monate nach dem Beginn ihrer Lehre sei sie mit ihrem Mann zusammengezogen. «Als meine Tochter auszog, beneidete ich sie so um ihre eigene Wohnung.»
Das Sozialleben bleibt in ihrem Mini-Glück trotzdem nicht auf der Strecke. Ihre Kinder, die in der Nähe wohnen, sieht sie regelmässig. «Auch gehe ich oft Leute besuchen oder sie kommen zu mir.» Da sie ohnehin «nie ein Fan von grossen Runden» gewesen sei, eigne sich ihre Wohnung auch für Gäste perfekt.
«Ich besitze mehrere Tücher»
Brennend interessierte sich das Publikum auch dafür, dass Andrea im Badezimmer nur ein Badetuch besitzt. Userinnen und User stellten deshalb ihre Hygiene infrage. «Diese Kommentare haben mich sehr beschäftigt», sagt Andrea. Selbstverständlich besitze sie noch separate Tücher für den Sport, fürs Putzen und für die Badi. «Es traf mich so sehr, weil ich als extrem saubere Person als unhygienisch galt.»
Die negativen Kommentare erklärt sich Andrea mit Neid. Diese Leute seien nicht neidisch, dass sie in einer 1-Zimmer-Wohnung lebe. «Ich glaube, sie sind neidisch auf mein Glück und meine Gelassenheit.»