Bundesratswahl

«Der Jura ist im Bundesstaat angekommen» – die Analyse zur Bundesratswahl

07.12.2022, 15:09 Uhr
· Online seit 07.12.2022, 13:44 Uhr
Zwei von sieben sind neu – Elisabeth Baume-Schneider und Albert Rösti wurden von der Bundesversammlung in die Schweizer Regierung gewählt. Die Jurassierin und der Berner Oberländer geben der Westschweiz im Bundesrat ein grosses Gewicht. Was die Wahl für die Schweiz sonst noch bedeutet, erfährst du hier.
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Elisabeth Baume-Schneider ist die zehnte Frau in der Schweizer Regierung und die erste aus dem 1979 in die Eidgenossenschaft aufgenommenen Kanton Jura überhaupt. Zusammen mit der Wahl von Albert Rösti ist die West- und Südschweiz nun mit sechs Personen im Bundesrat vertreten (Amherd (VS), Baume-Schneider (JU), Berset (FR), Parmelin (VD), Cassis (TI) und Rösti (BE)). Zudem wurden durch die Wahl laut Politikwissenschaftler Adrian Vatter die urbanen Zentren der Schweiz teilweise durch ländliche Regionen ersetzt. «Diese ländlichen Regionen wurden dadurch gestärkt», sagt Vatter gegenüber der Today-Zentralredaktion.

Der Jura ist definitiv im Bundesstaat angekommen

Für den Jura ist der heutige Mittwoch ein Meilenstein. Der jüngste Schweizer Kanton sei mit einer eigenen Bundesrätin nun definitiv im Bundesstaat angekommen, so Vatter. Dass auch eine periphere Region wie der Jura die Möglichkeit bekommt, sich ins Machtzentrum der Politik einzubringen, sei ein gutes Zeichen für den Föderalismus und die Schweiz. Das hilft der weiteren Integration des Kantons.

«Die Wahlen sind gute Nachrichten für die Schweiz», lautet auch das Urteil der Politik-Expertin und Autorin Regula Stämpfli. Erstens sei der Kanton Jura endlich in der Regierung und damit Föderalismus, Differenz und ein alter Industriestandort auch integriert. «Zweitens ist mit Albert Rösti ein sympathischer SVPler mit von der Partie, der ganz anders kommunizieren kann als die Ideologen in der eigenen Reihe», wie Stämpfli auf Anfrage sagt.

Was die Bundesratswahl ebenfalls zeigte: Kandidierende mit Kompromissfähigkeit setzten sich durch. «Die Konkordanz wurde hochgehalten, indem die Bundesversammlung zwei ausgeprägte Konkordanzpolitiker wählte», sagt Adrian Vatter.

«Die Wahl von Baume-Schneider ist die grosse Überraschung»

Die Wahl hielt schliesslich auch Überraschungen bereit. Dass es einige Proteststimmen für SP-Mann Daniel Jositsch geben würde, war hinsichtlich der Debatte im Vorfeld zu erwarten. Auch war angesichts seiner Favoritenrolle nicht überraschend, dass sich Albert Rösti gegen den Zürcher Hans-Ueli Vogt schon im ersten Wahlgang durchsetzen würde.

Quelle: CH Media Video Unit / Katja Jeggli

Von den meisten Expertinnen und Experten nicht erwartet wurde allerdings, dass sich Baume-Schneider gegen Eva Herzog durchsetzen würde. «Das war die grosse Überraschung», sagt Politologe Adrian Vatter. Dass sie am Ende dann eine regelrechte Punktladung machen konnte, sei auf verschiedene Faktoren zurückzuführen.

SP kann ihre beiden Sitze festigen

Welche Themen werden auf den neu zusammengesetzten Bundesrat zukommen? «Die neuen Themen sind die alten Themen», sagen Vatter und Stämpfli unisono. Im Vordergrund werde das Europa-Dossier, respektive die Frage der weiteren europäischen Integration stehen. Auch die Themen Umwelt und Klima dürften wichtig bleiben. Und schliesslich werde sich der Bundesrat mit der Energieversorgung, der Bewältigung der Pandemie, der sozialen Frage sowie der AHV-Reform befassen müssen.

Nach der Wahl ist vor der Wahl. Im kommenden Jahr werden die Parlamentarierinnen und Parlamentarier in Bundesbern neu bestellt. Bundesrätinnen und Bundesräte könnten dabei durchaus als Wahllokomotiven für ihre Parteien fungieren, so Vatter. Überschätzen sollte man deren Wirkung aber nicht. Etwas anders die Einschätzung von Regula Stämpfli: Mit der heutigen Wahl könnten Steilvorlagen für die SP und die SVP entstanden sein. Ob der Trend anhalte, werde sich zeigen.

Entscheidend an der heutigen Wahl dürfte ausserdem sein, dass die Sozialdemokraten ihre beiden Sitze in der Landesregierung sichern konnten. «Ich gehe nicht davon aus, dass die SP einen Sitz verlieren wird, selbst wenn sie im Herbst 2023 eine Wahlschlappe erleiden sollte», sagt Adrian Vatter. Auch die Wiederwahl der anderen Regierungsmitglieder sei voraussichtlich gesetzt, trotz des Übergewichts der lateinischen Schweiz, das nun im Bundesrat herrscht.

(baz/osc)

veröffentlicht: 7. Dezember 2022 13:44
aktualisiert: 7. Dezember 2022 15:09
Quelle: Today-Zentralredaktion

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