Weil eine 21-Jährige aus dem Bezirk Laufenburg unter einer Spielsucht litt, hatte sie Geldprobleme. Sie klaute deshalb die Kreditkarte ihres Vaters und verzockte sein Geld in einem Online-Casino. Wie in einem Strafbefehl der Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau weiter steht, soll sie dabei während rund eines Monats einen Geldbetrag von etwa 7000 Franken verspielt haben. Als ihr Vater ihr Vergehen bemerkte, zeigte er sie an.
120'000 Schweizerinnen und Schweizer leiden unter Spielsucht
Dass Spielsüchtige oft unter Geldnot leiden, ist laut Yasemin Aydin, Psychologin bei der Suchtberatung AGS in Aarau, keine Seltenheit. Um an Geld zu kommen, nehmen die Betroffenen so einiges auf sich: «Es kann sein, dass man sich bei Kolleginnen und Kollegen Geld ausleiht oder aber auch bei Familienmitgliedern. Das unter gewissen Vorwänden, wie beispielsweise, dass man eine Rechnung nicht begleichen konnte.» Das Umfeld kommt der Bitte nach und ahnt meist nicht, dass die Betroffenen unter einer Spielsucht leiden. «Meist fragen sie an mehreren Stellen nach finanzieller Unterstützung, weshalb ihre Sucht noch weniger auffällt», so Aydin.
Eine Spielsucht ist in der heutigen Zeit keine Seltenheit mehr. Trotzdem wird sie laut Aydin noch zu wenig thematisiert. Eine Hochrechnung zeigt, dass schweizweit rund 120'000 Personen unter einer Spielsucht leiden, wie in einer Statistik der Suchtprävention steht. «Rund 40 Personen befinden sich momentan bei der Suchtberatung in Aarau in Behandlung», so Aydin. Während der Corona-Pandemie hat die Anzahl der betroffenen Personen nochmals stark zugenommen. «Das könnte daran liegen, dass es Drittpersonen vermehrt aufgefallen ist.» Weiter sagt Aydin, dass die Betroffenen in der Pandemie plötzlich mehr Zeit hatten und sich diese in einem Online-Casino vertrieben.
Was ist eine Spielsucht und wie wird sie behandelt?
«In eine Spielsucht kann jeder geraten», wie Aydin sagt. Es gibt jedoch Faktoren, welche Personen anfälliger macht, ein Suchtverhalten zu entwickeln: «Wenn jemand in der Familie bereits unter einer Abhängigkeit leidet, dann besteht eine grössere Gefahr, dass man einen problematischen Konsum entwickelt.» Gerade mit der Spielsucht versucht man laut Aydin oftmals, mit negativen Emotionen und Stress umzugehen. Während des Glücksspiels versuchen die Betroffenen, den Gefühlen zu entkommen. «Dafür vernachlässigt man vieles in seinem Leben und zieht sich zurück. Freund und Familie werden weniger kontaktiert und die Arbeit rückt in den Hintergrund», so Aydin. Es wird so lange gezockt, bis ein Gewinn erzielt wird und man mit Geld belohnt wird. Doch auch nach einem Erfolg können sie das Spielen nicht lassen, sie hoffen auf einen weiteren Gewinn.
Ihre Sucht leben Betroffene meist im Geheimen aus. «Sie versuchen es zu vertuschen und wollen, dass niemand davon erfährt», so Aydin. Dem sozialen Umfeld ist grösstenteils nichts von Zwangsverhalten und Kontrollverlusten bekannt.
Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung
«Oftmals holen die betroffenen Personen erst dann Hilfe, wenn es bereits zu spät ist», wie Aydin erzählt. Die Beziehungen sind am Kriseln und sie sind hoch verschuldet. «Einige sind bereits arbeitslos oder der Job steht auf der Kippe, wenn sie zu uns kommen», so Aydin. Erst wenn sich die Betroffenen in solch einer misslichen Lage wieder finden, suchen sie eine Suchtberatung auf. «Das ist der erste Schritt zur Besserung», wie Aydin sagt. Neben einer Budgetberatung nehmen sie mit den Suchtkranken weitere Schritte in Angriff: «Unsere Aufgabe ist es, dass wir zusammen mit den Betroffenen herausfinden, weshalb sie in die Sucht flüchten und wann sie mit dem Spielen angefangen haben.» Zusammen wird eine Strategie erarbeitet, wie die betroffene Person die Emotionen bewältigen kann.
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Nicht selten kommt es vor, dass eine betroffene Person mehrere Anläufe benötigt, um es aus dem Teufelskreis zu schaffen. «Die Süchtigen werden von Angehörigen unter Druck gesetzt, um zu einer Suchtbehandlung zu gehen. Wenn jemand jedoch noch nicht bereit ist, sich in Therapie zu begeben oder sein Problem nicht einsieht, bringt eine Therapie nicht viel», so Aydin. «Sie gehen zwei bis drei Mal in die Therapie und danach nicht mehr», so die Psychologin weiter. «Teils melden sie sich zu einem späteren Zeitpunkt, um erneut in die Therapie zu kommen. Erst wenn die Süchtigen bereit dazu sind, sich mit ihrem Problem zu konfrontieren, schaffen sie es aus dem Teufelskreis.»
Hartes Urteil für 21-Jährige
Im Fall der 21-Jährigen hat ihr Vater sie angezeigt. «Ich gehe davon aus, dass viele Eltern nicht gerne ihr eigenes Kind zur Anzeige bringen. Für viele ist es jedoch der letzte Schritt, den sie noch machen können. Sie haben die Hoffnung, dass sich die Betroffenen daraufhin Hilfe holen», wie Aydin erklärt. Die 21-Jährige wird unter anderem aufgrund der mehrfachen unrechtmässigen Aneignung sowie des Missbrauchs einer Datenverarbeitungsanlage zu einer bedingten Geldstrafe von 9900 Franken verurteilt. Dazu kommt eine Busse von 2500 Franken sowie Gebühren in der Höhe von über 1000 Franken. Das Urteil wird in ihrem Strafregister eingetragen.
So erhalten Betroffene Hilfe
Wer sich selbst eingesteht, unter einer Spielsucht zu leiden, hat die Möglichkeit, sich freiwillig für Spiele sperren zu lassen. Diese Spielsperre kann schriftlich beantragt werden oder vor Ort in einem Casino. «Oftmals ist das die einzige Möglichkeit, dass sich Süchtige vom Spielen fernhalten», so Aydin. Die Spielsperre gilt nicht nur für alle Casinos in der Schweiz und Liechtenstein, sondern auch für diverse Online-Casino-Anbieter. Wer sich zusätzlich im Ausland sperren lassen will, muss diese separat beantragen. Hier erfährst du mehr über eine Spielsperre im Ausland.