«Wir dürfen die Vorfälle nicht tolerieren und müssen alles daransetzen, dass so etwas nicht mehr vorkommt», sagte Sportministerin Viola Amherd am Dienstag vor den Medien in Bern. Zwar sei es «schwierig, dass erst reagiert wird, wenn etwas passiert». Man müsse nun aber vorwärtsschauen.
Die am Dienstag vom Eidgenössischen Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) publizierte Liste von Neuerungen ist lang. Darauf figuriert etwa eine zentrale, unabhängige Meldestelle für Opfer von Missständen, die bereits kurz nach Publikation der «Magglinger Protokolle» im «Magazin» von Tamedia auch im Parlament gefordert wurde.
Die neue Meldestelle «Swiss Sport Integrity (SSI)» soll per 1. Januar 2022 bei der bereits bestehenden unabhängigen Stiftung Antidoping Schweiz angesiedelt werden. Deren Zweck wird um die Behandlung potenzieller Ethikverstösse erweitert. Dazu benötigt es eine Änderung der Statuten bei Swiss Olympic. Das Sportparlament befindet darüber am 26. November. SSI soll Meldungen unabhängig untersuchen und zuhanden der Disziplinarkommission einen Untersuchungsbericht erstellen.
Fördergelder nur für vorbildliche Verbände
Für die verstärkte Umsetzung von Ethikgrundsätzen im Sport wird auch der Bund schauen. So werden Prinzipien neu auf eine rechtsverbindliche Basis gestellt, was im Fall von Verstössen Sanktionen ermöglicht, wie es weiter heisst. Zudem werden die Strukturen der Zusammenarbeit zwischen Behörden und privaten Verbänden verbindlicher geregelt, um insbesondere die Aufsichtsfunktion des Bundes sicherzustellen.
Heute gibt es zwar eine Ethikcharta zwischen Swiss Olympic und den verschiedenen Sportverbänden. Künftig wird die Politik die Sportverbände enger begleiten und überprüfen, ob die Charta im Alltag auch angewendet wird. Falls das nicht der Fall ist, wird der Staat intervenieren und sanktionieren.
Konkret unterbreitet das VBS dem Bundesrat eine Teilrevision der Sportförderverordnung. Sie legt unter anderem fest, welche Mindestanforderungen im Bereich sicherer und fairer Sport die Verbände erfüllen müssen, wenn sie Subventionen des Bundes beanspruchen. Die Umsetzung ist auf Anfang 2023 geplant.
Vermehrt einbezogen werden sollen laut dem Bund auch die Erziehungsberechtigten der jungen Athletinnen und Athleten. Für die Eltern von Spitzensportlerinnen und -sportlern soll bis Ende 2022 ein «Werkzeugkasten» erarbeitet werden, der eine «adäquate Karrierebegleitung» ermöglichen soll.
«Ungenügende Strukturen»
Die Massnahmen sind die Konsequenz aus einer Untersuchung, die Sportministerin Viola Amherd nach Vorkommnissen in der Rhythmischen Gymnastik in Auftrag gegeben hatte. Im Sommer und Herbst 2020 hatten ehemalige Kaderathletinnen in Medienbeiträgen von Einschüchterungen, Erniedrigungen und Misshandlungen am Nationalen Leistungszentrum des Schweizerischen Turnverbandes in Magglingen berichtet.
Die Untersuchung der Zürcher Anwaltskanzlei Rudin Cantieni Rechtsanwälte AG kam in ihrem ebenfalls am Dienstag publizierten Bericht zum Schluss, «dass die bestehenden Strukturen in Bezug auf die Durchsetzung ethischer Grundsätze ungenügend sind».
Amherd sprach am Dienstag von «Defiziten, hervorgebracht durch einzelnes Fehlverhalten, mangelndes Wissen, Systemfehler oder eine Kombination dieser Faktoren». Gleichzeitig hielt sie fest, dass die Sportförderung grundsätzlich gut funktioniere. Deshalb sei klar, dass nicht alles über den Haufen geworfen werden müsse.
Kulturwandel auslösen
Es gehe darum, «Lücken zu füllen in einem System, das weitgehend gut funktioniert», sagte Matthias Remund, Direktor des Bundesamts für Sport (Baspo). Selbstkritisch fügte er an, dass die Reformmassnahmen bereits früher hätten eingeleitet werden können.
Swiss Olympic hat verschiedene Massnahmen beschlossen oder bereits umgesetzt, die dafür sorgen sollen, dass ethische Grundsätze konsequent eingehalten werden, wie Verbandspräsident Jürg Stahl sagte. Es gehe darum, einen Kulturwandel im Schweizer Sport auszulösen.