Klima

Gletscher-Initiative hat im Nationalrat einen schweren Stand

02.03.2022, 19:58 Uhr
· Online seit 02.03.2022, 19:40 Uhr
Die Gletscher-Initiative hat im Nationalrat einen schweren Stand. Von Rot-Grün kommt zwar Unterstützung, doch die Bürgerlichen tun sich schwer mit dem verlangten Verbot von fossilen Brenn- und Treibstoffen. Sie bevorzugen den weniger scharfen Gegenvorschlag.
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Die Volksinitiative «Für ein gesundes Klima (Gletscher-Initiative)» verlangt eine klimaneutrale Schweiz ab 2050. Darüber hinaus sollen ab diesem Zeitpunkt auch keine fossilen Brenn- und Treibstoffe wie etwa Öl, Gas, Benzin, Diesel oder Kohle mehr in den Verkehr gebracht werden dürfen. Ausnahmen soll es nur geben, wenn keine andere technische Variante zur Verfügung steht.

«Vorwärts machen»

SP und Grüne stehen hinter der Initiative: «Ein Temperaturanstieg um ein halbes Grad hat riesige Auswirkungen, etwa für den Anstieg des Meeresspiegels», mahnte Bastien Girod (ZH). «Wir müssen rasch vorwärts machen», doppelte Nadine Masshardt (SP/BE) nach.

Der Rhonegletscher im Oberwallis sei mittlerweile derart geschrumpft, dass er vom Tal her kaum noch zu sehen sei, berichtete Baptiste Hurni (SP/NE). 2019 habe das Val-de-Ruz in seinem Heimatkanton die schlimmsten Überschwemmungen seit je erlebt.

Mit der Initiative ein Pfand in der Hand behalten will die GLP, wie Sprecher Martin Bäumle (ZH) es nannte. Seine Fraktion wolle das Begehren unterstützen bis sicher sei, dass ein Gegenvorschlag zu Stande komme, der diesen Namen auch verdiene.

Rücksicht auf Berggebiete

Handeln wollen auch die Bürgerlichen, aber nicht mit der Initiative, sondern mit dem weniger scharf formulierten direkten Gegenvorschlag des Bundesrates. Diesen unterstützt auch die SP. Anders die Grünen: Ihnen geht dieser Vorschlag zu wenig weit.

Zwar will auch die Regierung das «Netto Null»-Ziel 2050 in die Verfassung schreiben. Fossile Brenn- und Treibstoffe will sie dabei nicht verbieten, sondern den Verbrauch senken, soweit dies technisch machbar und für Wirtschaft und Sicherheit des Landes vereinbar ist.

Die Mitte-Fraktion wolle mit Rücksicht auf die Berggebiete auf den direkten Gegenvorschlag eintreten, sagte Priska Wismer-Felder (Mitte/LU). Die FDP lehnt eine «starre Verbotspolitik» ab, wie Matthias Samuel Jauslin (FDP/AG) sagte.

Die SVP-Fraktion ist für ein doppeltes Nein. Christian Imark (SO) sprach von einem «ungeniessbaren Paket». Auf die Schnelle auf Netto Null zu reduzieren, sei für die Schweiz mit erheblichen Risiken und Schwierigkeiten verbunden. Für Therese Schläpfer (SVP/ZH) ist es «überheblich», zu glauben, Menschen könnten Gletscher retten.

Spezifische Hilfe für die Berggebiete verlangt Jon Pult (SP/GR) mit einem Einzelantrag. Für sie dürften keine Ausnahmen geschaffen werden «als wären sie Hinterwäldler». Vielmehr müsse ihnen geholfen werden, die Dekarbonisierung gleich schnell zu schaffen wie die Menschen im Tal.

Linearer Absenkpfad umstritten

Zum direkten Gegenvorschlag liegen mehrere Anträge vor. Umstritten ist zunächst, ob ein linearer Absenkpfad für Treibhausgasemissionen vorgegeben werden soll. So beantragt es der Bundesrat. Der Mehrheit der Umweltkommission (Urek-N) ist dies aber zu wenig differenziert. Sie will das Wort «linear» streichen mit Blick auf die technische Entwicklung und unterschiedliche Voraussetzungen einzelner Branchen.

Eine Minderheit hätte zunächst vorgehen wollen wie der Bundesrat. Sie zog aber ihren Antrag zurück zu Gunsten einer von Marco Romano (Mitte/TI) vorgeschlagenen verbindlicheren Formulierung.

Roger Nordmann (SP/VD) fordert, dass der Bund spätestens sechs Monate nach einem Ja zum Verfassungsartikel ein Sieben-Jahre-Programm für den Ersatz von Gas-, Öl- und Elektrowiderstand-Heizungen lanciert. 500 Millionen Franken pro Jahr soll er dafür zur Verfügung stellen.

Unbekannte im Spiel

Eigentliches Wunschszenario vieler Ratsmitglieder ist aber ohnehin ein indirekter Gegenvorschlag - er ist gleichzeitig die Unbekannte im Spiel. Noch arbeitet die Umweltkommission (Urek-N) an Gesetzesartikeln mit dem Ziel, Massnahmen für «Netto Null» bis 2050 schneller auf den Weg zu bringen als über die Verfassung. Bis im Sommer sollen sie dem Rat vorliegen.

Mehrere Votanten sahen im Eintreten auf den direkten Gegenvorschlag eine Möglichkeit, Zeit zu gewinnen für das Erarbeiten eines Gesetzesentwurfs - der Rat wird über eine Fristverlängerung für die Behandlung der Initiative entscheiden. Die Initiative verlangt Ausführungsbestimmungen innert fünf Jahren nach einem Ja.

Die Debatte wird am (morgigen) Donnerstag fortgesetzt. Danach wird der Rat entscheiden.

veröffentlicht: 2. März 2022 19:40
aktualisiert: 2. März 2022 19:58
Quelle: sda

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