Schweiz

Grosse watson-Umfrage zeigt: Bei der AKW-Frage hat ein Umdenken stattgefunden

Grosse Umfrage

Das hält die Schweiz von den AKW-Plänen des Bundesrates

13.09.2024, 07:02 Uhr
· Online seit 13.09.2024, 06:28 Uhr
Der Bundesrat will das AKW-Neubauverbot aufheben und den Volksentscheid von 2017 kippen. In einer repräsentativen Umfrage hat watson die Schweizer Bevölkerung gefragt, was sie von den Plänen der Regierung hält. Das Resultat: umstritten.
Ralph Steiner / watson
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Es war ein Paukenschlag, als Energieminister Albert Rösti Mitte August bekannt gab, dass der Bundesrat den Bau von neuen Atomkraftwerken grundsätzlich wieder ermöglichen möchte.

Als Gründe nannte Rösti den Krieg in der Ukraine, die Abkehr von fossilen Energieträgern und das Bevölkerungswachstum in der Schweiz, das zu laufend steigendem Strombedarf führe.

2017 hat sich das Schweizer Stimmvolk deutlich für die Energiestrategie 2050 und damit den Ausstieg aus der Atomenergie ausgesprochen, den entsprechenden Passus möchte die Regierung nun aus dem Kernenergiegesetz streichen.

Der Bundesrat argumentiert, mit seinem Entscheid der Volksinitiative «Jederzeit Strom für alle (Blackout stoppen)» Rechnung tragen zu wollen. Die Vorlage aus SVP- und FDP-Kreisen möchte das AKW-Neubauverbot aufheben.

Wie eine repräsentative watson-Umfrage zeigt, scheint im Vergleich mit dem Abstimmungsverhalten von 2017 (58,2 Prozent Ja-Stimmen) ein Umdenken stattgefunden zu haben. Nur noch eine sehr knappe Mehrheit der Schweizer Bevölkerung spricht sich gegen die Pläne des Bundesrats aus. Fast die Hälfte der Umfrageteilnehmenden ist für die Aufhebung des AKW-Neubauverbots.

Die Umfrage wurde zwischen dem 6. und 10. September in Zusammenarbeit mit dem Sozialforschungsinstitut Demoscope durchgeführt. Teilgenommen haben 7213 Personen, die Umfrage ist repräsentativ für die Deutsch- und Westschweiz (mehr zur Methodik am Ende des Artikels).

Mehrheit dagegen

Die Auswertung zeigt, dass eine knappe Mehrheit der Bevölkerung mit dem Vorhaben des Bundesrats, das AKW-Neubauverbot zu kippen, nichts anfangen kann. 51 Prozent (Nein und Eher Nein) unterstützen die Pläne des Bundesrats nicht, 48 Prozent stimmen zu.

Interessant ist der Röstigraben: Während in der Romandie 58 Prozent für das Vorhaben der Regierung sind, sprechen sich in der Deutschschweiz 54 Prozent dagegen aus.

Ebenfalls auffällig: Die Meinungen sind gemacht. Von 7213 Teilnehmenden haben nur gerade 19 Personen «Weiss nicht» oder «Keine Antwort» ausgewählt.

Aufschlüsselung nach Parteien

Ein spannendes Bild zeigt sich, wenn man die Umfrageergebnisse nach Parteien auswertet. Die grösste Unterstützung – dies war zu erwarten – erfahren die Pläne des Bundesrats bei den Anhängern der SVP. 88 Prozent (Ja und Eher Ja) sind für die Aufhebung des Neubauverbots von Atomkraftwerken.

Unmittelbar dahinter folgen die Wählenden der FDP und dies, obwohl sich die Freisinnigen 2017 für den Ausstieg aus der Atomenergie ausgesprochen haben.

Bei allen anderen Parteien ist das Nein-Lager in der Mehrheit. Die Anhänger der Grünen (92 Prozent Nein und Eher Nein) werden von den Wählenden der Sozialdemokraten (93 Prozent) sogar übertrumpft. Übereinstimmend mit der Haltung von Parteipräsident Gerhard Pfister spricht sich auch die Basis der Mitte gegen das Vorhaben der Regierung aus (57 Prozent Nein und Eher Nein).

Argumente gegen Atomkraftwerke

Sämtliche Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Umfrage hatten die Möglichkeit, gängige Argumente gegen und für den Bau von neuen Atomkraftwerken zu bewerten.

Dass die Schweiz anstelle von Kernenergie auf erneuerbare Energien setzen soll, erachtet die Hälfte der Befragten als «sehr überzeugend». Diese Erkenntnis bestätigt die klare Zustimmung des Stimmvolkes zum Stromgesetz 2024.

Dass nicht klar ist, wie und wo Atommüll in Zukunft gelagert werden soll, überzeugt als Argument gegen Atomkraftwerke fast gleich viele Teilnehmende (49 Prozent) sehr.

Am wenigsten «sehr» überzeugen können Begründungen bezüglich mangelnder Sicherheit (37 Prozent), Nachhaltigkeit von Atomkraftwerken (36 Prozent), plus finanzielle Aspekte (36 Prozent).

Dass Atomenergie nicht nachhaltig sei, erachten zudem am meisten Personen als «überhaupt nicht überzeugendes» Argument (30 Prozent).

Argumente für Atomkraftwerke

In einem nächsten Schritt konnten die Befragten Argumente bewerten, die auf der Pro-AKW-Seite anzusiedeln sind.

Dabei fällt auf: Anders als bei den Argumenten gegen die Aufhebung des Neubauverbots für Atomkraftwerke erreicht kein Grund für das Vorhaben des Bundesrates beim Prädikat «sehr überzeugend» einen Wert von 50 Prozent.

Am ehesten können sich die Teilnehmenden der Umfrage für die Begründung erwärmen, dass neue Kernkraftwerke den steigenden Strombedarf in der Schweiz jederzeit decken würden. 40 Prozent erachten dieses Argument als «sehr überzeugend». Gleich starke Zustimmung erhält das Argument: «Die Schweiz ist mit Atomkraftwerken weniger vom Ausland abhängig».

Gleich drei Begründungen für neue AKW in der Schweiz erreichen bei der Bewertung «überhaupt nicht überzeugend» Werte von 35 oder mehr Prozent.

Am wenigsten können die Teilnehmenden mit dem Argument anfangen, dass die geopolitisch instabile Lage (u.a. der Krieg in der Ukraine), den Bau neuer Kernkraftwerke in der Schweiz erforderlich macht. Diese Haltung divergiert von der Begründung von Albert Rösti, wonach der Ukraine-Krieg gezeigt habe, dass gerade im Winter rasch Energiemangellagen entstehen können.

Wohnen neben AKW

Aktuell sind in der Schweiz drei Kernkraftwerke mit vier Reaktorblöcken in Betrieb. Drei davon (Beznau 1 und 2, Leibstadt) liegen im Kanton Aargau, das AKW Gösgen im Kanton Solothurn. Das Kernkraftwerk Mühleberg (Bern) wurde Ende 2019 stillgelegt.

Grundsätzlich, aber auch in Bezug auf mögliche neue Atomkraftwerke, konnten die Teilnehmenden der Umfrage angeben, ob sie bereit wären, in der Nähe eines Kernkraftwerkes zu wohnen. Die Auswertung zeigt: Fast die Hälfte (47 Prozent, Ja und Eher Ja) hätte damit keine Probleme.

Bei denjenigen Personen, die sich grundsätzlich für neue Kernkraftwerke aussprechen, wären 87 Prozent bereit, in der Nähe eines solchen zu wohnen (Eher Ja und Ja). Umgekehrt können sich bei den Teilnehmenden, die sich gegen den Bau von neuen AKW – und damit auch gegen das Vorhaben des Bundesrates aussprechen –, 90 Prozent (Nein und Eher Nein) nicht vorstellen, in der Nähe eines Atomkraftwerkes ansässig zu sein.

Klare Unterschiede zeigen sich bei den Geschlechtern: 54 Prozent der Männer wären bereit, neben einem Atomkraftwerk zu wohnen, 63 Prozent der Frauen können sich dies nicht vorstellen.

Zudem haben jüngere Menschen (bis 34 Jahre) weniger Mühe mit der Vorstellung, in der Nähe eines Kernkraftwerkes zu leben als Personen, die 35-jährig oder älter sind.

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veröffentlicht: 13. September 2024 06:28
aktualisiert: 13. September 2024 07:02
Quelle: watson

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