Nächstenliebe im Zug

Hilfsbereite Pendlerin wird mit über 40 Franken belohnt

29.07.2022, 06:59 Uhr
· Online seit 28.07.2022, 06:17 Uhr
Anja Böhm bezahlte einem Schwarzfahrer in einem Intercity von Zürich nach Basel spontan das Zugbillett. Am Ende bekam die Baslerin mehr Geld zugesteckt, als sie ausgegeben hatte.
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Die Hilfsbereitschaft von Pendlerin Anja Böhm zahlte sich im wahrsten Sinn des Wortes aus: Um 49 Franken reicher war sie nach ihrer Zugfahrt von Zürich nach Basel. «Es war schön zu erleben, dass sich dieses Sprichwort wirklich bestätigte», sagt die 38-jährige Baslerin zur Today-Zentralredaktion. Kürzlich berichtete sie auf dem Business-Netzwerk Linkedin, wie es dazu gekommen war.

Als sie am 16. Juli im Intercity sass, konnte ein junger Mann bei der Billettkontrolle keinen Fahrschein und keinen Ausweis vorzeigen. Auch habe er zu wenig Geld dabei gehabt und die Verständigung auf Englisch habe nicht zum gewünschten Resultat geführt, sodass er seinen Wohnsitz hätte angeben können, schreibt Böhm im Post.

Der Kondukteur habe dem Fahrgast mitgeteilt, dass er die Polizei wegen Fahrens ohne gültigen Fahrscheins und mangels Personalangaben rufen müsse. Doch bevor es soweit kam, half die Pendlerin ihm aus der Patsche: Böhm bot an, für den Fahrgast das Billett von 34 Franken zu bezahlen.

«Magie flog mir um die Ohren»

«Nun gut, der Schaffner kam zu mir und ich habe das Ticket bezahlt. Dann flog mir die Magie um die Ohren, bis mir ganz schwindelig wurde», berichtet die Baslerin weiter. Kaum hatte sie bezahlt, überwies ihre Sitznachbarin ihr per Twint die Hälfte der Ticketkosten, um sich zu beteiligen.

Der Kondukteur habe danach nicht nur das Ticket für den Fahrgast, sondern auch noch zwei SBB-Verpflegungsgutscheine ausgedruckt. Den einen Gutschein habe sie ihrer Sitznachbarin geschenkt, so Böhm. Andere Fahrgäste hätten sich bedankt und hätten bewegt geschienen. Damit aber nicht genug. «Letztendlich hält der Zug und beim Aussteigen drückt mir eine weitere junge Frau einen Zwanziger in die Hand.»

Böhm bezeichnet das Erlebnis als «wunderschön, bestärkend und überwältigend». «Und das Verrückteste von allem ist, dass ich, wenn ich eben nachrechne, mehr Geld zugesteckt bekommen habe, als das Ticket gekostet hat.»

Passagier sei überfordert gewesen

Lange gezögert hatte die Baslerin nicht. Für sie sei sofort klar gewesen, dass es sich beim jungen Mann um keinen absichtlichen Schwarzfahrer gehandelt habe, sagt Böhm, die als Coach arbeitet, zur Today-Zentralredaktion. Der Fahrgast sei mit der Situation sehr überfordert gewesen. «Als er bemerkte, dass er bezahlen sollte, breitete er vor dem Kondukteur sein Hab und Gut aus, das bloss aus Münz und ein paar Euro bestand.»

Der Post löste auf Linkedin über 500 Kommentare und über 10'000 Likes aus. Viele Userinnen und User schwärmen von der Aktion. «Wir als Menschen haben es in der Hand, solch magische Wow-Momente zu kreieren, danke vielmals fürs Teilen und auch für die tolle Aktion», antwortet ein User. Eine Userin schreibt: «Was dort zum Ausdruck kam, war einfach nur diese tiefe Liebe, die wir alle in uns haben und die der Ursprung von allem ist. Gerade in einer Zeit wie dieser, tut es unendlich gut, wenn Menschen aus Liebe handeln.»

Ungläubige Reaktionen

Gleichzeitig zweifeln einzelne Userinnen und User an Böhms Schilderung. «Sorry, aber die Geschichte ist erfunden, denn es gibt diverse Punkte, die so nicht möglich sind und von der SBB nicht nach Prozess», so ein User. Ein anderer glaubt nicht an so viel Nächstenliebe und schreibt: «Seltsame Geschichte und voller Ungereimtheiten. Wer‘s glaubt.»

Die SBB meldeten sich ebenfalls in einem Kommentar zu Wort: «Liebe Anja, herzlichen Dank für deine Geschichte, wir haben diese intern weitergeleitet.»

SBB-Mediensprecherin Jeannine Egi bestätigt den Fall. «Grundsätzlich ist es den Kundinnen und Kunden überlassen, ob sie bei einer Kontrolle für andere Fahrgäste ein Billett bezahlen wollen», sagt Egi. Das Ausstellen von Gutscheinen für die hilfsbereiten Fahrgäste liege im Ermessen der Kundenbegleitenden. Wie oft Fahrgäste Schwarzfahrerinnen und -fahrern bei Ticketkontrollen aus der Patsche helfen, ist nicht bekannt. «Diese Daten werden bei uns nicht erhoben.»

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veröffentlicht: 28. Juli 2022 06:17
aktualisiert: 29. Juli 2022 06:59
Quelle: Today-Zentralredaktion

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