Unglück in Pfäfers SG

Klimawandel macht Wandern immer gefährlicher

· Online seit 22.08.2022, 17:33 Uhr
Auf einem Spazierweg in Richtung Taminaschlucht traf ein herabstürzender Baumstamm eine Mutter und ihren Sohn tödlich. Die Route wurde regelmässig kontrolliert. Trockene Sommer könnten böse Überraschungen beim Wandern begünstigen.

Quelle: CH Media Video Unit / Melissa Schumacher

Anzeige

Die Mutter und ihr Sohn hatten keine Chance: Am Sonntagmittag wurden sie beim Wandern auf der Kiesstrasse von Bad Ragaz in Richtung Taminaschlucht von einem herabstürzenden Baumstamm getroffen. Die 42-jährige Frau und der sechsjährige Bub zogen sich dabei tödliche Verletzungen zu.

Besonders unverständlich ist das Unglück, weil Mitarbeitende des Strassenkreisinspektorats Buchs die Strasse dreimal wöchentlich kontrollieren – die letzte Kontrolle fand am Freitagnachmittag statt. Hanspeter Krüsi, Mediensprecher der Kantonspolizei St. Gallen, bezeichnete die Strasse sogar als «wohl eine der bestkontrollierten Strassen überhaupt im Kanton». Sicher bis Montagabend ist der Weg von Bad Ragaz ins Restaurant Altes Bad Pfäfers noch gesperrt.

Bericht zeigt Gefahren auf

Das Unglück könnte mit dem Klimawandel zusammenhängen. Der Bericht «Sicher Wandern 2040» beschäftigt sich mit den Grundlagen der Auswirkungen des Klimawandels auf das Wanderwegwesen. Trockene Sommer, intensivere Niederschläge, mehr Hitzetage und schneeärmere Winter hätten direkte Auswirkungen auf die der Witterung ausgesetzten Aktivität Wandern und die Wanderweginfrastruktur, heisst es im Bericht.

Wege und Bauten seien zunehmenden Naturgefahren und Erosion, aber auch der intensiveren Nutzung ausgesetzt, führt der Bericht weiter aus. «Damit ergeben sich Fragen zur Sicherheit der Nutzenden und zum Aufwand für das Wanderwegwesen.»

Steinschläge und Rutschungen

Lang anhaltende und heftige Niederschläge begünstigen mancherorts Steinschläge, Wildbäche oder Rutschungen. Steinschläge nehmen eher im alpinen und hochalpinen Gelände zu, wo sich der Permafrost auflöst, während Rutschungen sich auch in den Voralpen oder im Jura häufen könnten.

Der diesjährige Sommer war heiss und trocken. Dazwischen sorgten teilweise heftige Gewitter und Regenfälle für Abkühlung. Patricia Cornali, Verantwortliche Verbandskommunikation von Schweizer Wanderwege, sagt: «Die Wetterphänomene in der letzten Zeit wie Trockenheit, Hitze, Starkniederschläge und Gewitter mit starken Winden haben Auswirkungen auf die Natur und können demnach auch kurzfristig die Sicherheit auf Wanderwegen beeinflussen.»

 «Alles ist anspruchsvoller»

Wanderprofis warnen vor Unachtsamkeit. «Wir Schweizer haben das Selbstverständnis, ein Volk von Wanderinnen und Wandern zu sein», sagt Rainer W. Meichtry, Wanderleiter mit eidgenössischem Fachausweis und Inhaber von Simply Hiking. Doch wer wandern gehen wolle, müsse damit rechnen, dass eine Route auch wegen des Klimawandels mehr Risiken als angenommen berge.

«Beim Wandern wird alles anspruchsvoller, weil Trockenheit und starke Regenfälle Erosion begünstigen», sagt Meichtry. Regne es lange Zeit nicht, staue sich an einem Hang immer mehr Material wie zum Beispiel Staub, Steine und Äste an. «Regnet es dann plötzlich stark, wird alles aufs Mal abgeladen und der Boden kann aufgrund der Trockenheit das Wasser nicht mehr aufsaugen.» Er rät Hobbywandern deshalb umso mehr, sich auf eine Wanderung gut vorzubereiten und im Gelände achtsam zu sein. «Trotzdem bleibt immer ein Restrisiko – auch auf vermeintlich einfachen Wanderwegen.»

Braucht es mehr Kontrollen?

Generell mehr Kontrollen von Behörden in den Wandergebieten, um auf Routen gefährliche Überraschungen zu verhindern, erachtet Meichtry hingegen nicht als zielführend. «Würde man verlangen, dass Behörden ein Wandergebiet voll im Griff haben, hätte dies mehr Sperrungen zur Folge.» Trotz der Gefahren solle das Wandern noch Spass machen – immer mit der nötigen Vorsicht.

veröffentlicht: 22. August 2022 17:33
aktualisiert: 22. August 2022 17:33
Quelle: Today-Zentralredaktion

Anzeige
Anzeige
argoviatoday@chmedia.ch