Im altehrwürdigen Bundeshaus gibt es zu wenige Arbeitsplätze für die Parlamentsmitglieder. Wie die «Schweiz am Wochenende» berichtete, prüfen die Präsidien von National- und Ständerat deshalb, das leerstehende Gebäude der Credit Suisse am Bundesplatz 2 vis-à-vis des Bundeshauses zu mieten oder zu kaufen.
Ein ganz besonderer Arbeitsplatz für Parlamentsmitglieder gab letzte Woche viel zu reden: das repräsentative Sitzungszimmer 339, ausgestattet mit einem Computerarbeitsplatz, einem ovalen Tisch mit Platz für bis zu 12 Personen und einer Wendeltreppe, die direkt aufs Dach führt. Der feudale Raum, auch Turmzimmer genannt, ist eine der wenigen Rückzugsmöglichkeiten für Ratsmitglieder, um in Ruhe Besprechungen abzuhalten.
Letzte Woche wurde bekannt, dass SVP-Nationalrätin und Unternehmerin Magdalena Martullo-Blocher in der laufenden Sommersession das Zimmer 339 praktisch ununterbrochen für sich reserviert hat.
Hinter vorgehaltener Hand tuscheln Parlamentarier, die EMS-Chefin würde das Zimmer nicht nur für Sitzungen im Zusammenhang mit ihrer Arbeit als Nationalrätin brauchen, sondern vielmehr als Büro für ihre privatwirtschaftliche Tätigkeit. Das widerspräche den Richtlinien der Verwaltungsdelegation über die Raumnutzung.
Martullo-Blocher liess ausrichten, dass sie als Vizepräsidentin der SVP Schweiz und Verantwortliche für Wirtschaftspolitik während der Session viele Kontakte pflege.
David Roth (SP/LU) reichte im Rahmen der Fragestunde des Nationalrats eine Anfrage ein. Er wollte wissen, wie oft Martullo-Blocher das Zimmer reserviert habe und ob die Nutzung den Richtlinien entspreche.
«Respekt gegenüber Kollegen»
Aufgrund der Reihenfolge der traktandierten Fragen wurde Roths Anliegen nicht mehr mündlich im Plenum beantwortet. Doch kurz vor 16 Uhr wurde die schriftliche Antwort der sechsköpfigen Verwaltungsdelegation - den vereinigten Präsidien von National- und Ständerat - auf der Parlamentswebsite aufgeschaltet.
Die Verwaltungsdelegation machte weder Angaben dazu, wie oft Martullo-Blocher sich ein Zimmer reserviert, noch, ob sie dabei die Richtlinien verletzt hat. Doch riefen die Ratspräsidien in Erinnerung, dass Ratsmitglieder bei jeder Reservationsanfrage für ein Sitzungszimmer über das elektronische Reservationsformular «die Kenntnisnahme der erwähnten Richtlinien» bestätigten.
Mit dieser Regelung und diesem Vorgehen appelliere die Verwaltungsdelegation «an die Eigenverantwortung und Selbstdisziplin der Ratsmitglieder für die Einhaltung der Richtlinien». Sie erwarte dabei, «dass eigene Bedürfnisse aus Respekt gegenüber den Kolleginnen und Kollegen abgewogen werden». Ein überdeutlicher Wink mit dem Zaunpfahl an Martullo-Blocher.
Die angesprochene Bündner SVP-Nationalrätin hatte zum Zeitpunkt der Publikation der Antwort der Verwaltungsdelegation übrigens das besagte Sitzungszimmer 339 erneut belegt: Von 15.30 Uhr bis 19 Uhr war es einmal mehr auf den Namen Magdalena Martullo-Blocher reserviert. Also bis zum Ende der Sitzung des Nationalrats vom Montag. (aargauerzeitung.ch)
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