Beverin-Rudel

Mehreren Wölfen in Graubünden droht der Abschuss

26.08.2021, 06:11 Uhr
· Online seit 25.08.2021, 19:17 Uhr
Der Kanton Graubünden hat genug. Nach Begegnungen von Menschen mit Wölfen und Nutztierrissen soll das Beverin-Wolfsrudel dezimiert werden. Die Tage einiger Bündner Wölfe scheinen damit gezählt. Denn selbst Wolf-Befürworter erachten Massnahmen – bei eingehender Prüfung – als angebracht.
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Kürzlich kam es am Schamserberg nahe des Piz Beverin zu zwei gefährlichen Begegnungen einer Hirtin mit Wölfen, teilte der Kanton Graubünden in einer Medienmitteilung mit. Beim ersten Mal sei sie beim Auskundschaften einer Weidefläche mit dem Hirtenhund unterwegs gewesen, als sie von einem Wolf überrascht wurde. Dieser knurrte die Hirtin aus einer Distanz von zehn Metern an. Weil sie laut auf sich aufmerksam machte – und sich damit den Empfehlungen entsprechend verhielt – habe sich der Wolf daraufhin entfernt.

Wölfe attackieren Hirtenhund

Eine Woche später wurde die Hirtin erneut mit Wölfen konfrontiert. Sie war wieder mit ihrem Hirtenhund unterwegs, als drei Tiere auftauchten und den Hund attackierten. Der Hirtin gelang es erneut, die Wölfe mit bestimmter Stimme zu vertreiben. Gleichentags hätten die Hirtin und zwei Bauern mindestens sechs Welpen und fünf ausgewachsene Wölfe beobachtet. Der Kanton geht davon aus, dass es sich um Tiere des Beverin-Rudels handelt.

Der Alphawolf ist ein bekanntes Problemtier

Gemäss der kantonalen Wildhut handle es sich bei den Erzählungen der Hirtin um plausible Darstellungen, welche das problematische Verhalten der Wölfe in der Region aufzeigen. Es bestehe das Potenzial zur Gefährdung des Menschen. Das Amt für Jagd und Fischerei Graubünden (AJF) hat deshalb ein Abschussgesuch beim zuständigen Bundesamt eingereicht.

Dies insbesondere, weil das Vatertier des Rudels bereits wiederholt ein problematisches Verhalten gezeigt habe und die Schwelle der Anzahl gerissener Nutztiere in konform geschützten Schaf- und Ziegenherden erreicht sei.

Das besagte Vatertier sei schon länger für sein aggressives Wesen bekannt, sagt Adrian Arquint, Leiter des Amts für Jagd und Fischerei Graubünden: «Dieser Wolf ist bereits 2018 als Einzeltier aufgefallen, als er ungefähr 60 Schafe gerissen hat. Er legt ein starkes Tötungsverhalten an den Tag.» Es handle sich um eine ganz andere Dimension, als bei anderen bekannten Wölfen, welche ebenfalls gelegentlich für Nutztierrisse verantwortlich seien. «Problematisch ist insbesondere, dass dieser Wolf sein Verhalten an die Jungtiere weitergibt», so Arquint.

Vier Tiere im Visier

Insgesamt sollen vier Tiere geschossen werden: Der problematische Alphawolf sowie drei Jungtiere. Die gesetzlichen Vorgaben sehen vor, dass bei erfüllten Kriterien die Hälfte der im aktuellen Jahr geborenen Jungtiere erlegt werden dürfen. Bei sieben beobachteten Welpen würden damit drei Tiere getötet. Arquint schätzt die Chancen auf eine Bewilligung des Abschussgesuchs hoch ein: «Wenn die Kriterien nicht erfüllt wären, hätten wir das Gesuch nicht eingereicht. Ich gehe davon aus, dass es bewilligt wird.»

Gruppe Wolf Schweiz: Vorgehen des Kantons ist verständlich

Für David Gerke, Präsident der Gruppe Wolf Schweiz, ist das Abschussgesuch «keine Überraschung». Er führt aus: «Das Beverin-Rudel fällt seit zwei, drei Jahren auf, weil es gehäuft Nutztiere reisst.» In Anbetracht der jüngsten Begegnungen der Hirtin mit dem Rudel sei das Vorgehen des Kantons Graubünden ein Stück weit verständlich.

Gerke betont aber auch, dass die Schilderungen genau auf ihre Aussagekraft und Plausibilität untersucht werden müssen. Ebenso müsse stets geprüft werden, ob die Nutztierrisse trotz korrekt getroffenen Herdenschutzmassnahmen geschehen seien. «Ist das der Fall, ist es in Kombination mit den geäusserten Drohgebärden der Tiere gegenüber den Hütehunden des Alppersonals sicherlich angebracht, gewisse Massnahmen zu ergreifen», so Gerke.

Umweltorganisationen könnten Beschwerde einreichen

Sollte sich hingegen herausstellen, dass ein Abschuss unter Umständen nicht gerechtfertigt ist, können berechtigte Organisationen wie der WWF oder Pro Natura intervenieren und eine Beschwerde einreichen. Die Tiere, welche im Visier der Behörden sind, würde das aber kaum retten: «Solche Beschwerden gegen Regulierungen haben in aller Regel keine aufschiebende Wirkung. Die Massnahmen könnten trotzdem durchgeführt werden, selbst wenn sie gerichtlich angefochten würden», sagt Gerke.

(con)

veröffentlicht: 25. August 2021 19:17
aktualisiert: 26. August 2021 06:11
Quelle: FM1Today

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