Ferien und Reisen

Ombudsmann kritisiert Schweizer Reisebranche: Flüge zu billig, Bahn zu umständlich

27.09.2022, 09:12 Uhr
· Online seit 27.09.2022, 05:46 Uhr
Die Herbstferien stehen kurz bevor, welche viele dazu nutzen, nochmals in den Süden zu verreisen. Oft stellt sich da die Frage, ob man einen billigen Flug buchen soll, oder doch lieber umweltschonend mit dem Zug unterwegs sein. Die momentane Situation ist nicht einfach.
Yasmin Stamm
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«Nach der Pandemie herrschte eine gute Konsumentenstimmung. Doch ob diese für den Herbst anhält, können wir nicht sagen», sagt Franco Muff, Ombudsmann der Schweizer Reisebranche. Nach der Pandemie seien die Konsumenten dazu bereit gewesen, etwas mehr fürs Reisen auszugeben. «Aber mit den steigenden Kosten bin ich mir nicht sicher, ob das so weiter geht.»

Die Branche erholt sich

Im Sommer 2022 schrieben einige Reiseunternehmen gute Zahlen. Doch mit der momentanen Wirtschaftssituation und den steigenden Kosten stehe man im Moment vor einem grossen Fragezeichen, wenn es darum geht, wie es nächstes Jahr aussieht.

«Für einige Haushalte wird es so sein, dass sie erst einmal alle relevanten Kosten decken müssen und erst danach schauen können, ob es noch für Ferien reicht», sagt Franco Muff.

Genau da kommen Billigferien ins Spiel. «Das Fliegen an sich ist nicht per se ein Problem. Jedoch steht es in keinem Verhältnis, wenn man 40 Franken zahlt, um schnell drei Tage in Barcelona seinen Geburtstag zu feiern.»

Es sei einfach nicht sinnvoll und so hätte das Fliegen auch keine Qualität mehr, findet Muff. Und eine Qualitätssteigerung würde man nun mal durch eine Preiserhöhung erreichen.

«Das Verhältnis stimmt nicht»

Besser wäre es, wenn man eine längere Reise mit dem Flugzeug macht, dafür aber für kurze Reisen den Zug nehmen würde. Doch das Bahnfahren in Europa ist über die Jahre sichtlich komplizierter geworden. Während man früher noch ein Auslandsticket gekauft hat und zwei Monate lang unabhängig damit fahren konnte, muss man heute zug- und zeitgebundene Tickets kaufen und darf diese nicht verpassen. Auch viele Bahnunternehmen haben Nachtzüge abgeschafft.

«Das ermuntert Konsumentinnen und Konsumenten auch nicht wirklich, dann beispielsweise die neu aufgestellten Nachtzüge nach Rom oder Florenz zu nehmen.» Zwar sei man dran, solche Angebote wieder auf die Beine zu stellen, doch es hätte sehr lange gedauert, bis man denn Sinn hinter den Angeboten wiederentdeckte.

Keine Zusammenarbeit zwischen Flug und Bahn

Wenn nun Fluggesellschaften ihre Preise wieder etwas erhöhen würden und Bahngesellschaften die ihrigen senken, dann würde man wieder in ein ungefähres normales Mass kommen. Eine Zusammenarbeit zwischen den zwei Gesellschaften könne sich Franco Muff aber nicht vorstellen.

«Zwar hat es früher solche Projekte gegeben, zum Beispiel, dass man hinfliegen konnte und zurück mit dem Zug kam, doch das ist irgendwie versandet.» Es sei sicherlich nicht schlecht, doch wahrscheinlich wäre es sinnvoller, wenn sich jeder in seinem Gebiet verbessern würde und sich anpasst, so Muff.

Vorteile von Zug werden zu wenig hervorgehoben

Mit dem Zug ist es momentan zwar aufwendiger zu reisen, doch wenn man zum Beispiel eine Städtereise in Europa macht, dann hat es den Vorteil, dass man zuerst nicht noch lange vom Flughafen zur Stadt kommen muss, sondern einfach direkt da ist. Das sieht auch Franco Muff als positiven Punkt.

Muff hebt auch hervor, dass man vor allem in Frankreich und Österreich und zum Teil auch in Italien recht gute und zuverlässige Zugverbindungen habe, um pünktlich von A nach B zu gelangen. Man höre halt vor allem aber nur von den negativen Erfahrungen, wie zum Beispiel in Deutschland.

Bahnfahrt buchen ist genau so kompliziert wie Flüge buchen

Die Gründe für den Qualitätsverlust von Europareisen mit dem Zug sind vielfältig. «Zum Beispiel wurden einige Bahnen privatisiert, was zu nichts Gutem geführt hat, oder die Konsumenten und Konsumentinnen nutzten das Angebot einfach viel weniger.»

Als damals das Fliegen aufkam, nutzten viel mehr Menschen lieber das Flugzeug, auch wenn es damals noch gar nicht so billig war. Mit dem Zersplitten von Bahnen und Privatisierung von gewissen Unternehmen sowie auch dem Billigerwerden der Flüge löste man irgendwann Nachtzüge und Europaverbindungen auf, da es sich nicht mehr lohnte.

«Die heutige Gesellschaft wäre viel offener für gute Zugangebote und würde sicherlich aufspringen, wenn die Bahn sagen könnte ‹Kommt zu uns, wir haben gute Preise und sind unkompliziert›, doch leider ist es das eben nicht mehr.»

veröffentlicht: 27. September 2022 05:46
aktualisiert: 27. September 2022 09:12
Quelle: FM1Today

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