Einen schweizweiten Mindestlohn gibt es nicht. Doch viele Kantone führen örtliche Mindestlöhne ein. Das Parlament hat den Kantonen jedoch einen Strich durch die Rechnung gemacht: National- und Ständerat haben 2022 eine Motion von Mitte-Ständerat Erich Ettlin gutgeheissen. Diese verlangt, dass die Bestimmungen von allgemein verbindlich erklärten Gesamtarbeitsverträgen (GAV) zum Mindestlohn anderslautenden Bestimmungen der Kantone vorgehe. Und zwar auch dann, wenn die minimalen Löhne in einem GAV tiefer sind als der kantonale Mindestlohn. Nun, und eineinhalb Jahre nach Annahme der Motion, muss der Bundesrat einen Umsetzungsvorschlag zu dieser Motion machen.
Das sind die Reaktionen
Doch diese Umsetzung könnte sich als äusserst schwierig gestalten – denn ausser dem Parlament und den Arbeitgeberverbänden sind viele Akteure gegen die Motion. Der Bundesrat etwa hält nicht viel vom Vorstoss. Er fordert das Parlament in der Medienmitteilung zur Vernehmlassungseröffnung auf, die Vorlage nicht anzunehmen. Grund: Ein GAV habe nicht die gleiche demokratische Legitimation wie ein kantonales Gesetz.
VDK spricht von Verfassungswidrigkeit
Auch die Volkswirtschaftsdirektorenkonferenz (VDK) lässt in einer Stellungnahme zuhanden des Bundesrats kein gutes Haar an der geplanten Gesetzesänderung, wie «watson» berichtete: «Nebst dem verfassungswidrigen Eingriff in die Kantonsautonomie und der Verletzung des Legalitätsprinzips mangelt es der vorgesehenen Änderung an Praxistauglichkeit.»
Der Vorstand der Sozialdirektorinnen und -direktoren lehnt die Motion ebenfalls ab und erinnert in seiner Stellungnahme daran, weshalb die Mindestlöhne wichtig seien: Sie dienten der Bekämpfung von Armut und insbesondere des Phänomens der «Working Poor». Personen, die einer Vollzeiterwerbstätigkeit nachgehen, sollten «ein Einkommen erzielen können, das ihnen würdige Lebensbedingungen garantiert, ohne auf Sozialhilfe angewiesen zu sein».
Viele Kantone gehen ebenfalls auf Barrikade. So hat der «Tages-Anzeiger» 21 kantonale Regierungen gefragt, was sie von den Entscheidungen des Parlaments halten – 20 davon lehnen das Mindestlohnverbot ab.
(watson/jub)