Gesetzesänderung

Politiker befürchten, dass durch Geschlechtseintrag Militärdienst umgangen wird

04.11.2021, 10:52 Uhr
· Online seit 04.11.2021, 10:29 Uhr
Für 75 Franken können Personen, die innerlich überzeugt sind, dass im Personenstandsregister das falsche Geschlecht steht, dieses ändern lassen. Mehrere Politiker befürchten dadurch einen Missbrauch des Militärdienstes.
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Ab dem 1. Januar 2022 können Transgender-Menschen ihren Vornamen und das im Personenstandsregister eingetragene Geschlecht rasch und unbürokratisch ändern. Dann tritt die entsprechende Gesetzesänderung in Kraft. Bei Personen über 16 Jahren reicht dabei eine einfache Erklärung, sofern sie nicht unter umfassender Beistandschaft stehen oder die Erwachsenenschutzbehörde etwas anderes angeordnet hat. Bis anhin musste dafür einen Antrag beim Gericht gestellt werden.

«Seltsam, dass man ein neues Gesetz umgehen kann»

Die Umwandlung des Geschlechts kostet 75 Franken. Gemäss «20 Minuten» äusserte sich ein User auf Facebook zu diesem Thema und stellte die Frage, ob Personen sich nun zu einer Frau umtragen und so den Militärdienst umgehen können. «Mit 30 dann wieder zurück und man hat nur 150.- bezahlt und Tausende Franken gespart», schreibt der Mann. Auch wird die Auswirkung auf die Pensionierung diskutiert. Man könne sich vor dem Pensionsalter umtragen lassen und so ein Jahr früher Rente erhalten.

Armee-Sprecher Stefan Hofer bestätigt gegenüber dem Online-Portal, dass eine 17-jährige Frau, die den Geschlechtseintrag anpasst, zur Aushebung erscheinen und allenfalls in die Rekrutenschule einrücken muss. Ausserdem könne ein alleinstehender Mann, der sich zur Frau erklärt, mit 64 Jahren eine AHV-Rente beziehen, sagt Michel Montini vom Bundesamt für Justiz.

Einen Missbrauch befürchten nicht nur Userinnen und User, sondern auch Politikerinnen und Politiker. So vermutet beispielsweise SVP-Ständerat Werner Salzmann, dass durch die neue Regelung der Militärdienst umgangen wird. Er wünscht sich strengere Überprüfungsmechanismen. «Es ist seltsam, dass man ein neues Gesetz so offensichtlich umgehen kann.»

«Keine Änderunge, die man einfach so macht»

Auch für FDP-Ständerat Andrea Caroni ist der Missbrauch naheliegend: «Das kann grundsätzlich überall geschehen, wo Frauen und Männer per Gesetz nicht gleichgestellt sind, etwa beim Militärdienst oder dem Rentenalter.»

FDP-Nationalrätin Christa Markwalder hingegen findet die Bedenken unbegründet. Das Gesetz richte sich an eine sehr kleine Bevölkerungsgruppe, die unter grossem Leidensdruck stehe. Das Ändern des Geschlechts habe viel weitreichendere Auswirkungen, als dass man es einfach so machen würde.

Alecs Recher, Leiter der Rechtsberatung von Transgender Network Switzerland, ergänzt: «Der persönliche Preis ist unvergleichbar höher als zum Beispiel Ersatzabgaben oder Zivildienst zu leisten. Die Frage nach einem möglichen Missbrauchspotenzial hat daher immer auch den Beigeschmack der Ignoranz gegenüber der Alltagsrealität von Transmenschen.»

(red.)

veröffentlicht: 4. November 2021 10:29
aktualisiert: 4. November 2021 10:52
Quelle: PilatusToday

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