Das Horror-Szenario ist nicht eingetroffen: Durch die Ostseepipeline Nord Stream 1 fliesst nach zehntätigen Wartungsarbeiten wieder Gas. Zuvor gab es Befürchtungen, Moskau könnte nach den Wartungsarbeiten den Gashahn komplett zudrehen – eine weitere Verschärfung der Energiekrise wäre die Folge gewesen.
Netzdaten vom Donnerstagmorgen zufolge werden die angekündigten Mengen nach der Wartung der Ostsee-Leitung eingehalten. Die Bundesnetzagentur geht davon aus, dass die Pipeline zunächst zu etwa 40 Prozent ausgelastet wird, was bereits vor den Wartungsarbeiten der Fall war. Doch die Gefahr ist noch nicht gebannt. Laut Dr. Heiko Lohmann, Experte für Erdgasfragen, dürfte die Wiederinbetriebnahme die Gas-Krise in Europa nur vorübergehend entschärfen.
«Gas bleibt weiter knapp»
«Aus kurzfristiger Sicht ist die gute Nachricht, dass über die Pipeline überhaupt Gas fliesst. Die schlechte Nachricht ist, dass sie nach wie vor nur zu 40 Prozent genutzt wird – Gas bleibt weiter knapp», sagt Lohmann zu CH Media Radionews. Mittelfristig bestehe grosse Unsicherheit, wie die Pipeline weiter genutzt werde. «Kein Mensch weiss, wie lange diese 40 Prozent bleiben.»
Lohmann verweist auf die widersprüchlichen Informationen über die Frage nach der geringen Auslastung der Pipeline. «Damit schwebt die weitere Nutzung der Partnerin durch Gazprom und die Unsicherheit darüber wie eine Art Damoklesschwert über der europäischen Gasversorgung.»
Technische Gründe als Vorwand
«Klar, muss man Angst haben, dass Putin den Gashahn komplett zudreht», so der Erdgasexperte. Die russische Seite habe sehr geschickt gespielt und immer technische Gründe angebracht.
Lohmann geht jedoch nicht davon aus, dass der Kremlchef den Hahn direkt wieder zumachen würde. «Eher möglich ist, dass in einer bestimmten Situation aus technischen Gründen der Export aus Russland komplett zum Erliegen kommt.» Tatsächlich stünden dahinter nachLohmann jedoch politische statt technische Entscheidungen. So warnte Wladimir Putin in der Nacht auf Mittwoch etwa vor einer deutlich fallenden täglichen Durchlasskapazität Ende Juli, sollte Russland die in Kanada reparierte Turbine nicht zurückerhalten. Kanada blockierte den Rücktransport der Turbine aufgrund der Sanktionen gegen Russland.
(bza)