Immer wieder wird das Dritte Reich und damit der Holocaust mit der Coronapandemie verglichen. An Demonstrationen sind Banner mit der Aufschrift «Impfen macht frei» oder Bundesrat Alain Berset als Hitler zu sehen oder es wird gefordert, dass dem Bundesrat der «Nürnberger Prozess» gemacht werden soll. Das ist eine gefährliche Entwicklung, findet Mitte-Nationalrätin Marianne Binder-Keller.
Die Aargauerin hat deshalb ein Postulat eingereicht. Darin fordert sie den Bundesrat zu einem vermehrten Monitoring auf. «Die Vergleiche sind schlicht falsch», erklärt Binder. «Es macht mir Sorgen, dass dieses Denken vorhanden ist und damit eine schlimme Zeit verharmlost wird.» Mit diesem Denken könnten gefährliche Tendenzen entstehen, die zu Gewalt führen könnten.
Die Vergleiche sind strafbar
Dass es aktuell mehr antisemitische Vorfälle und Verschwörungstheorien im Zusammenhang mit der Pandemie gibt, bestätigt «Tangram», eine auf die Untersuchung und Analyse des Rassismus in der Schweiz ausgerichtete Zeitschrift. «Wir haben einen Antirassismus-Artikel, in dem festgehalten ist, dass die Verleugnung vom Holocaust strafbar ist. Und genauso strafbar sind diese aktuellen Vergleiche.»
Sie würden diese schlimme Zeit verharmlosen und ihr einen ganz falschen Kontext geben. Ihr ist es wichtig, dass die Geschichte richtig eingeordnet wird. «Es gibt schlicht keinen Vergleich zwischen Ungeimpften und Opfer des Nationalsozialismus. Das ist eine absolute Geschichtslosigkeit, die sich hier breit macht und eine Radikalisierung im Denken.»
Sie fordert deshalb, dass der Bundesrat in einem Bericht die Erkenntnisse über antisemitische Vorfälle an Kundgebungen von Corona-Massnahmengegnern darlegt. Weiter soll der Bundesrat mögliche oder geplante Massnahmen gegen diese Entwicklung auf Bundesebene aufzeigen.
Es geht beide Seiten etwas an
Ihr Postulat richtet sich nicht nur an die Demonstranten, die solche Schilder und Banner halten. «Es geht auch in die andere Richtung: Wenn man nur ein bisschen rechts ist, wird man gleich als Nazi bezeichnet», erklärt Binder. «Das ist ein schrecklicher Vergleich.» Man vergisst, was genau einen Nazi ausgemacht hat und verharmlost deren Verhalten in Zeiten vom Nationalsozialismus.
Aktuell sind es private Organisationen, die solche Verstösse aufnehmen und melden. Das muss sich gemäss Binder ändern: «Es ist auch die Aufgabe des Bundes, ein Monitoring zu machen und gegen solche Vorfälle vorzugehen», findet Binder. Deshalb fordert sie in ihrem Postulat, dass der Bundesrat Massnahmen prüft. «Mir geht es konkret darum, dass wir schweizweit eine systematische Erfassung der antisemitischen Vorfälle machen und Daten durch die Bundesbehörden sammeln.»