Mobilität ist generell sehr stark von der männlichen Sichtweise geprägt. So arbeiten im globalen Verkehrssektor immer noch nur 22 Prozent Frauen, wie das Onlinenetzwerk «womeninmobility» bestätigt. Ein EU-Bericht aus dem Jahr 2013 besagt, dass Frauen bei Unfällen mit einer 47 Prozent höheren Wahrscheinlichkeit schwerer verletzt werden als Männer. Ausserdem haben Frauen eine 17 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit, dabei zu sterben – das auch, wenn beide Personen angeschnallt sind und dieselbe Körpergröße, dasselbe Gewicht und sogar Alter haben. Das zeigt eine Analyse der US-Bundesbehörde für Strassen- und Fahrzeugsicherheit.
Laut Bundesamt für Statistik verunfallen in der Schweiz zwar weniger Frauen als Männer im Strassenverkehr. Doch während nur jeder zweite Mann nach einem Autounfall in medizinische Behandlung muss, sind es zwei von drei Frauen. Darüber hinaus waren Frauen ab dem siebten Schwangerschaftsmonat bei der Verkehrssicherheit oft benachteiligt, wie TCS-Mediensprecherin Sarah Wahlen auf Anfrage von ArgoviaToday erklärt.
Unsicheres Design für Frauen
Seit mehr als 50 Jahren machen Crashtest-Dummys Autos sicherer. Aber lange nur für den «durchschnittlichen» Mann. Der sogenannte «50-Perzentil-Mann» ist abseits der Unfallforschung und Verkehrssicherheit kaum bekannt. Dabei entspricht er mit seinen 175 Zentimetern und 78 Kilogramm dem Durchschnittsmann – rund 50 Prozent der männlichen Europäer sind größer, die andere Hälfte ist kleiner.
Mit Sensoren ausgestattet und ausgefeilter Schulter-, Knie- und Wirbelsäule-Mechanik simulieren auch heute noch die Dummys Autounfälle, um Gurtgeometrie, Sitze und Airbags in Neuwagen sicherer für Fahrer zu machen. Aus Sicht vieler Unfallforscher der Grund für die Einschränkungen bei der Sicherheit und Ergonomie von Frauen und kleineren Menschen in vielen Autos.
Doch was für Männer passt, ist nicht automatisch für die Frau richtig
Frauen wurden bei diesen Tests lange nicht berücksichtigt. Und wenn, dann waren diese «weiblichen» Exemplare nur kleinere und leichtere Männer, die mit den Körpermassen einer Frau nicht im Geringsten übereinstimmten. Hinzu kam, dass diese «Frauen» dann noch häufig bei diesen Tests nur als Beifahrer fungieren durften. Auch für Schwangere, Senioren und Menschen mit Behinderung gab es lange kein entsprechendes Testexemplar.
Dazu haben Frauen in der Regel einen anderen Körperbau, haben weniger Muskeln am Oberkörper und die Halsmuskulatur ist selten stärker ausgeprägt. Tendenziell sitzen Frauen auch näher am Lenkrad. Das sind alles Faktoren, welche ein Schleudertrauma bei einem Auffahrunfall begünstigen können.
TCS testet geschlechtergerecht
Der TCS führt in Zusammenarbeit mit Partnerclubs und dem Dynamic Test Center (DTC) mehrmals pro Jahr Crashtests zu verschiedenen Szenarien durch. «Die Dummies sind an sich nicht ‹männllich› oder ‹weiblich›, sondern die Software dahinter, welche die Daten dann entsprechend auswerten», berichtet die Mediensprecherin Sarah Wahlen. «Wir führen schon seit Jahren diese Tests durch, bei denen auch der weibliche Körper berücksichtigt wird.» Zudem fügt sie noch an, dass «die weiblichen Verletzungskriterien selbstverständlich auf allen möglichen Sitzpositionen im Auto ausgewertet werden.» Frauen werden damit auch in der Unfallverhütung endlich als Fahrerinnen wahrgenommen.
(sib)