Schweiz

Sexpartys unter Drogeneinfluss nehmen in Zürich zu

Sex, Drugs and no Rock'n'Roll

Sexpartys unter Drogeneinfluss nehmen in Zürich zu

· Online seit 08.09.2022, 08:21 Uhr
«Chemsex» hat die Schweiz erreicht. Es sind Partys, an denen sich mehrheitlich Männer mit anderen Männern zum Sex verabreden, illegale Substanzen konsumieren und dabei oft der Schutz in Vergessenheit geht. Dadurch steigen die Ansteckungszahlen von Geschlechtskrankheiten in die Höhe. Viele Partys finden mittlerweile auch in Zürich im Verborgenen statt.
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Chemsex bedeutet Sex auf Drogen. Chem steht dabei für psychoaktive Substanzen wie Crystal Meth, Kokain oder auch K.O.-Tropfen. Chemsex ist an sich nicht neu und seit Jahren vor allem in Grossstädten wie London und Berlin verbreitet und nun auch in Zürich angekommen.

Schwierig einzuschätzen

«Da Chemsex-Partys oft spontan über Apps und Onlineplattformen bekannt gegeben werden, gibt es keine genauen Zahlen von Zürich, aber eine grosse Dunkelziffer», sagt Psychologin Dominique Emch von Checkpoint. Ein Anstieg von Chemsex-Partys sei spürbar, aber schwer quantitativ zu bestimmen.

«Es braucht hierzu dringend mehr wissenschaftliche, fundierte Datenerhebung und Forschung», so Falk von Straufenberg, Psychologe der Arud. Bisher gab es keine feste Anlaufstelle für Hilfesuchende. Dies habe Checkpoint und Arud nun verändert, wie Claudia Bernardini, leitende Medizinerin der Arud sagt. «Wir erhoffen uns damit zunehmend bessere Erkenntnisse, sowie eine bessere Versorgung, insbesondere auch hinsichtlich der Behandlung und Prävention von HIV und sexuell übertragbaren Infektion (STI).»

Gefährliches Vergnügen

Eine weitere Besorgnis der Psychologin Emch sei: «Es gibt im Zusammenhang mit Chemsex-Drogen eine psychische und physische Abhängigkeit.» Es sei irgendwann kaum ein sexueller Kontakt ohne Substanzen mehr möglich, wenn eine psychische Abhängigkeit bestehe. Staufenberg sehe zudem mehr Probleme in Bezug auf das Sexualverhalten und die Lebensgestaltung, wie Trennungen und Jobverlust.

«Gibt es jedoch physische Abhängigkeiten, sind diese extrem und schwierig behandelbar. Wir nehmen vor allem einen Zuwachs von Hilfesuchenden sowie Probleme mit den Dosierungen und Überdosierungen wahr», so Emch.

Auch Anna Blatter von saferparty.ch spricht von besorgniserregenden Chemsex-Partys: «Bei intravenösem Konsum steigt das Risiko einer Überdosierung und wenn bei intravenösem Konsum Utensilien geteilt werden, steigt zudem die Gefahr von Krankheitsansteckungen wie zum Beispiel Hepatitis C oder HIV.»

Nebst dem Testing bietet saferparty.ch auch Beratungen an. «Unser Fokus liegt dabei auf risikomindernden Massnahmen, also ganz konkret darauf, was eine Person, die Substanzen zum Sex konsumiert, tun kann, um die potenziellen Risiken möglichst gering zu halten.» Deshalb empfehlen die Fachleute von saferparty.ch folgende Punkte zu beachten, um sicherer an eine Chemsex-Party zu gehen:

Zielgruppe sensibilisieren

Die Probleme, die die Pandemie mit sich gebracht hat, wie Einsamkeit, Langeweile und Jobunsicherheit, haben den Anstieg unterstützt. Jedoch sieht Emch vor allem Themen wie Selbstbild, psychische Erkrankungen, Potenzdruck, Lust auf Exzess, leistungsmotivierten und intensiven Lebensstil sowie Umgang mit Stress als Moderator des steigenden Konsums.

Da es schwer zu kontrollieren sei, bleiben den Einrichtungen in erster Linie die Sensibilisierung der Zielgruppen. Dazu biete das Drogeninformationszentrum DIZ der Stadt Zürich in Kooperation mit dem Checkpoint seit einem Jahr jeweils am ersten Montag im Monat ein spezifisches Drug-Checking-Angebot für sexualisierten Substanzkonsum an – also für Personen, die gezielt Substanzen zum Sex konsumieren. «Das Angebot ist von der Zielgruppe gut angenommen worden», wie Blatter sagt. Die Teilnahme ist anonym und kostenlos.

Vermischung von Sexualität und Drogenabhängigkeit

Vielen Konsumierenden sei der Begriff «Chemsex» zudem nun geläufiger und sie suchen mehr Hilfsangebote auf. Die enge Vermischung und Vernetzung von Sexualität und Substanzabhängigkeit findet bislang zu wenig Gehör in der Medizin und Psychotherapie, findet Emch. "Beides sind stark stigmatisierte Themen.

Die Fachpersonen müssen ein Wissen sowohl über die Wirkung der Substanzen als auch über die Sexualität erlangen." Eine starke interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Psychotherapie, Medizin, Sexualwissenschaften sowie Suchtfachpersonen sei gefragt.

veröffentlicht: 8. September 2022 08:21
aktualisiert: 8. September 2022 08:21
Quelle: ZüriToday

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