Mit 39 zu 0 Stimmen hiess der Ständerat am Mittwoch als Erstrat die modernisierte Zivilprozessordnung gut. Nichts zu reden gab eine Neuerung, die seine Rechtskommission (RK-S) in die Vorlage eingefügt hat: Neu sollen in Zivilverfahren Zeuginnen und Zeugen über Video angehört werden können. Während der Corona-Pandemie habe man positive Erfahrungen mit dieser Form der Befragungen gemacht.
Ausgiebig zu reden gab eine umstrittene Bestimmung, die die Medienfreiheit tangiert. Gegen den Willen der Minderheit senkte der Ständerat die Hürde für gerichtlich erwirkte superprovisorische Verfügungen gegen Berichte in regelmässig erscheinenden Medien. Er entschied das mit 30 zu 12 Stimmen.
Heute kann ein Gericht einen Medienbericht stoppen, wenn dieser für die gesuchstellende Partei einen besonders schweren Nachteil verursachen kann. Dies darf aber nur angeordnet werden, wenn kein offensichtlicher Rechtfertigungsgrund vorliegt und die Massnahme nicht unverhältnismässig erscheint. Der Bundesrat will im Artikel präzisieren, dass der fragliche Medienbericht einen besonders schweren Nachteil verursachen kann oder verursacht.
Ein Wort gestrichen
Der Ständerat strich nun aber auf Antrag der Mehrheit das Wort «besonders». Damit reicht neben den anderen Kriterien ein «schwerer Nachteil» als Rechtfertigung für das Anordnen einer vorsorglichen Massnahme und somit das vorläufige Verhindern des Erscheinens eines Medienberichts.
Dass Medienverantwortliche nicht erbaut seien vom Antrag der Mehrheit, sei legitim, sagte Thomas Hefti (FDP/GL). Auf der anderen Seite stünden Rechtsverletzungen und widerrechtliche Angriffe auf Persönlichkeitsrechte. Da das Internet nichts vergesse, liessen sich Fehlinformationen nie mehr beseitigen, fand Daniel Jositsch (SP/ZH).
Beat Rieder (Mitte/VS) ergänzte, eine superprovisorische Verfügung durchzusetzen, sei heute nicht leicht. Im Sinne der Waffengleichheit zwischen Medien und Individuum sei die Anpassung geboten. «Ich hätte mir nicht im Traum vorstellen können, dass diese Änderung so viel Staub aufwirbelt», sagte er zu Berichten über die Pläne der Mehrheit.
Medien zur Verantwortung ziehen
Namens der Minderheit sagte Carlo Sommaruga (SP/GE), es gebe keinen Rechtfertigungsgrund für die Anpassung. Wolle man etwas tun für den Schutz des Individuums, müssten statt der Änderung die Medien in Sachen Wahrheitsgehalt verstärkt zur Verantwortung gezogen werden können, sagte Hannes Germann (SVP/SH).
Es brauche eine fundierte Diskussion zu dieser Frage und nicht diese schnelle Änderung eines Artikels in der Zivilprozessordnung, doppelte Christian Levrat (SP/FR) nach. Auch Justizministerin Karin Keller-Sutter lehnte die Streichung ab.
Zu reden gaben auch die Sprachen, in denen zivile Verhandlungen an den Gerichten geführt werden sollen. Der Bundesrat wollte es den Kantonen überlassen, neben den Landessprachen Englisch zuzulassen. Das will der Ständerat aber nicht.
Mitwirkungsverweigerungsrecht enger gefasst
Landessprachen könnten so in den Hintergrund gedrängt werden. Sei das Englische erst einmal zugelassen, könnten sich andere Sprachgemeinschaften diskriminiert fühlen, sagte Thomas Hefti (FDP/GL). Beat Rieder befürchtete einen Wettbewerb unter den Kantonen bei der Einführung von englischsprachigen Gerichten.
Einige Kantone hätten diese Möglichkeit gewünscht, entgegnete Andrea Caroni (FDP/AR). Die Kantone hätten ja auch die Möglichkeit, den Gebrauch von Sprachen an ihren Gerichten zu begrenzen, ergänzte Lisa Mazzone (Grüne/GE).
Enger fassen als der Bundesrat will der Ständerat die Bestimmungen zum Mitwirkungsverweigerungsrecht für Unternehmensjuristinnen und -juristen. Generell soll dieses Recht sicherstellen, dass im Ausland tätige Schweizer Unternehmen die gleichen Verfahrensgarantien haben wie Unternehmen vor Ort, etwa in den USA.
Der Rat ergänzte, dass das Mitwirkungsverweigerungsrecht beiden Parteien zustehen muss und nur so genannten Handelsgesellschaften eingeräumt wird. Ruedi Noser (FDP/ZH) hätte die Formulierung des Bundesrates bevorzugt. Die Version der Mehrheit sei unklar. Nosers Antrag unterlag mit 13 gegen zu 28 Stimmen.
Zugang zu Gerichten erleichtern
Ziel der Reform der Zivilprozessordnung ist es, Privaten und Unternehmen der Zugang zu Gerichten zu erleichtern. Unter anderem soll er dafür das Prozesskostenrecht angepasst werden.
Zunächst hatte der Bundesrat auch eine Verbesserung der kollektiven Rechtsdurchsetzung in die Vorlage aufnehmen wollen. Die Vorschläge dazu waren in der Vernehmlassung aber sehr umstritten. Deshalb trennte der Bundesrat die Vorlage auf und legte den Räten zunächst die unumstrittenen Teile der Revision der Zivilprozessordnung vor.
Es sei schwierig, beim kollektiven Rechtsschutz eine Brücke zu bauen zwischen Befürwortern und Gegnern, sagte Justizministerin Karin Keller-Sutter. Wenn möglich, werde der Bundesrat bis Ende Jahr eine Vorlage präsentieren.
Die Vorlage geht an den Nationalrat.