Die neuen Rechtsvorschriften zielen darauf ab, Massnahmen zur Verringerung des Konsums von Tabakprodukten zu ergreifen - unabhängig davon, ob diese geraucht, erhitzt, geschnupft oder oral eingenommen werden.
Nach der ersten Beratungsrunde der Räte bestanden in verschiedenen zentralen Punkten - etwa bei den Einschränkungen für Werbung, Verkaufsförderung und Sponsoring von Tabakprodukten - noch grosse Differenzen. Der Ständerat verankerte im Herbst 2019 umfassende Werbeverbote für Tabakprodukte im Gesetz. Der Nationalrat stimmte diesen im vergangenen Dezember nur teilweise zu.
Die bürgerliche Mehrheit in der kleinen Kammer bezeichnete die meisten Entscheide des Nationalrats nun als gangbaren Kompromiss. Konkret heisst das: In der Presse und im Internet soll Werbung nicht grundsätzlich verboten sein. Das Verbot soll nur für Presseerzeugnisse und Internetseiten gelten, «die für Minderjährige bestimmt sind».
Der Ständerat sah ursprünglich auch für Publikationen vor, «die von Minderjährigen eingesehen werden». Das ging den meisten Vertreterinnen und Vertretern von SVP, FDP und Mitte dann doch zu weit. Mit 25 zu 17 Stimmen bei einer Enthaltung folgte der Ständerat dem Nationalrat.
Kompromiss gefunden
Einigkeit herrscht auch in den weiteren Punkten des Kernartikels. Beispielsweise soll künftig auch vom öffentlichen Grund aus einsehbare Plakatwerbung von Tabakprodukten und E-Zigaretten sowie Werbung in Kinos, in öffentlichen Verkehrsmitteln und Gebäuden und auf Sportplätzen verboten sein.
Beim Sponsoring setzte sich ebenfalls der Kompromissvorschlag des Nationalrats durch. Sponsoring soll verboten sein für Veranstaltungen in der Schweiz, wenn diese internationalen Charakter haben oder auf ein minderjähriges Publikum abzielen.
Der Ständerat bestätigte weiter den Beschluss des Nationalrats, wonach verkaufsfördernde Massnahmen für elektronische Zigaretten weiterhin möglich sein sollen. Schliesslich soll «die direkte, persönlich ausgeführte Verkaufsförderung für Zigarren und Zigarillos mittels Degustationen und Kundenpromotionen» erlaubt bleiben.
Einigen konnten sich die Räte auch darauf, dass auf eine Meldepflicht für Firmen bezüglich ihrer Werbeausgaben verzichtet werden soll. Der Ständerat strich im zweiten Anlauf einen entsprechenden Passus.
Eine Differenz gibt es noch bei der Entscheidkompetenz der Kantone. Geht es nach dem Ständerat, sollen die Kantone jeweils strengere Werbe-, Sponsoring- und Verkaufsförderungsvorschriften erlassen können. Der Nationalrat will diesen Artikel aus dem Gesetz streichen.
Gegenvorschlag zur Initiative
Die Ratslinke warnte vergeblich vor einer «Verwässerung des Gesetzes». Hans Stöckli (SP/BE) bezeichnete die aktuellen Beschlüsse des Ständerats als «Scheinlösung». Es gehe darum, die Verantwortung gegenüber der Jugend wahrzunehmen. Das sei mit den jüngsten Entscheiden nicht mehr der Fall.
Tatsächlich ist das Parlament unter Druck. Es berät das Tabakproduktegesetz vor dem Hintergrund einer hängigen Volksinitiative. Diese verlangt ein lückenloses Verbot für Tabakwerbung, die Kinder oder Jugendliche erreicht.
Der Ständerat erklärte das neue Tabakproduktegesetz nun zum indirekten Gegenvorschlag zur Volksinitiative. Er nahm eine entsprechende Klausel in die Vorlage auf. Das würde es dem Initiativkomitee erlauben, die Initiative zurückzuziehen, sollte das Gesetz in Kraft treten.
So weit wird es wohl nicht kommen. Eine vernünftige parlamentarische Lösung sei nicht mehr möglich, teilte das Initiativkomitee nach dem Entscheid des Ständerats mit. Deshalb würden sich die Organisationen hinter der Volksinitiative nun auf den Abstimmungskampf vorbereiten, der voraussichtlich im ersten Halbjahr 2022 stattfinden werde.
WHO-Anerkennung im Fokus
In weiteren Details der Vorlage haben sich die Räte noch nicht gefunden. Beispielsweise ist der Ständerat dagegen, Zutaten in Tabakprodukten zu verbieten, die das Abhängigkeitspotenzial erhöhen oder die Inhalation erleichtern. Eine bürgerliche Mehrheit in der kleinen Kammer stemmte sich erfolgreich gegen das Verbot von Mentholzigaretten, wie es der Nationalrat beschlossen hatte.
Zudem will der Ständerat die verbotenen Zutaten im Gesetz selber regeln. Geht es nach dem Nationalrat, soll dagegen der Bundesrat die Entscheidkompetenz haben, welche Zutaten der Tabakprodukte verboten sein sollen und welche nicht. Gestrichen hat der Ständerat die Vorschrift, dass auf Tabakverpackungen der Teer-, Nikotin- und Kohlenmonoxidgehalt aufgeführt werden muss.
Gesundheitsminister Alain Berset betonte, dass es oberstes Ziel des Gesetzes sein müsse, die Voraussetzungen zur Ratifizierung der Rahmenkonvention der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zur Eindämmung des Tabakgebrauchs zu erfüllen. Wegen der fehlenden Einschränkungen von Werbung und Sponsoring konnte die Schweiz das Abkommen bisher nicht ratifizieren.